Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
Simon und Reiser, als sie eintraten, unglücklich an.
„Entschuldigen Sie die Unruhe. Üblicherweise geht es hier nicht so turbulent zu, aber einer unserer Mitbewohner scheint ein kleines Problem zu haben und dieses wird wohl etwas zu heftig diskutiert. Ich werde gleich für Ruhe sorgen. Was kann ich für Sie tun, meine Herren?“
Simon zeigte ihr seinen Ausweis, doch die Dame schien nicht sonderlich überrascht zu sein, dass die Polizei bei ihnen in der Residenz vorbeischaute.
„Wir würden gerne zu Karl Pütz. Man hat uns gesagt, dass er hier wohnt.“
„Na, da brauchen Sie nicht weit zu gehen. Das ist nämlich der Herr, dessen Stimme Sie übermäßig laut vernehmen können.“ Die Empfangsdame, die Simon für ihre unerschütterliche Ruhe bewunderte, zwinkerte ihnen nun fröhlich zu und wies mit ihrer Hand in die Richtung, aus der der Lärm ertönte. „Bitte, meine Herren, gehen Sie ruhig durch, es kann durchaus sein, dass die Herrschaften Sie mit offenen Armen empfangen werden.“ Mit diesen Worten waren Simon und Reiser entlassen und sie verließen den Empfangsbereich in Richtung Bergische Stube.
Das Bild, das sich ihnen bot, als sie durch die sich selbst öffnende Tür schritten – da war sich Simon sicher –, würde er lange nicht aus seinem Kopf verdrängen können. Um die in der Mitte des Raumes zusammengestellten Tische saßen sechs betagte, durchaus noch rüstige Senioren, vor sich ausgebreitet mehrere weiße Bettlaken. Jeder von ihnen nannte verschiedene kleine Farbtöpfchen und Pinsel sein Eigen, mit denen sie die Laken bemalten und beschrifteten. Die Szene erinnerte ihn sehr stark an die Kindergartenzeit seines Sohnes Julian, nur dass diese Kinder in diesem Fall ziemlich alte Menschen waren. Der ohrenbetäubende Krach, der sie empfing, hätte ohne Weiteres aus einem unbeaufsichtigten Klassenzimmer kommen können. Simon und Reiser schauten sich verblüfft an. Sie blieben einfach stehen und harrten der Dinge, die da kommen würden.
„Du musst die Bäume größer malen, Ilse, die sind viel zu winzig, das kann kein Mensch erkennen!“ Einer der Senioren brüllte seine Tischnachbarin geradezu an, doch diese ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und ignorierte seinen Einwand völlig. „Ilse, hast du dein Hörgerät wieder nicht eingeschaltet, du musst die Bäume viel, viel größer machen!“ Der alte Mann gab sich noch nicht geschlagen und brüllte was das Zeug hielt, und siehe da, Ilse drehte sich endlich zu ihm herum, runzelte die Stirn und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen:
„Hast du etwas gesagt, Josef? Schau, wie findest du meine Bäume, sind sie nicht wunderschön?“
Josef schüttelte sein graues Haupt, wandte sich verächtlich ab und murmelte:
„Das macht sie extra, um mich zur Weißglut zu bringen, die dumme Pute.“
Auf der gegenüberliegenden Seite erkannten sie Karl Pütz, der lautstark mit drei anderen Mitbewohnern diskutierte. Er war kaum wiederzuerkennen. Nichts erinnerte mehr an den verzweifelten alten Mann, den sie am Sonntag kennengelernt hatten. Dieser Mann hier war zwar alt, trotzdem war er lebhaft … und zornig.
„Beeilt euch, meine Damen und Herren, die Plakate müssen heute noch angebracht werden. Morgen Abend findet die Bürgerversammlung statt, wir haben also nicht mehr viel Zeit. Ich habe ein paar Jungs organisiert, die das heute noch erledigen werden. Und bitte, schön groß malen und deutlich schreiben. Ilse, du musst die Bäume größer malen, und wenn ihr keine Laubbäume malen könnt, malt Tannen, das kann doch jeder!“
Ungeduldig stand Karl Pütz vor seinen Mitbewohnern wie ein Lehrer vor seiner ungebändigten Schulklasse, der genauso wenig Erfolg hatte, sich Gehör zu verschaffen, wie er selbst.
„Männer und Frauen, ihr wisst, was auf dem Spiel steht! Sie wollen uns den Wald wegnehmen, alles wollen sie uns nehmen!“ Er brüllte, so laut es seine kratzige Stimme zuließ und sein runzeliges Gesicht leuchtete dunkelrot. „Seid ihr bereit zu kämpfen?“
Das leise Gemurmel seiner Mitstreiter als Antwort auf seine überaus pathetische Rede erschien nicht die Reaktion zu sein, die sich Karl Pütz erhofft hatte. Resigniert und kopfschüttelnd ließ er sich erschöpft auf seinem Stuhl nieder.
Das war der Moment, auf den Simon gewartet hatte, und er steuerte direkt auf Karl Pütz zu, der trotz aller Abgeschlagenheit prompt wieder aufsprang, als er Simon und Reiser auf sich zukommen sah und sie gleich erkannte.
„Schaut, Leute, die Polizei ist
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