Todesrennen
nehmen. Und vielleicht kommst du mit hinauf und leistest mir beim Abendessen oder bei was weiß ich Gesellschaft.«
»Soll ich Champagner bestellen?«
»Das habe ich bereits getan.«
»Mal im Ernst, Liebling, warum hast du keinen Flugunterricht genommen?«, fragte Marion später in ihrem Zimmer. Frisch gebadet, parfümiert und in einen langen smaragdgrünen Hausmantel gehüllt, klopfte sie neben sich auf die Chaiselounge. Bell ging mit ihren Champagnergläsern zu ihr hinüber und setzte sich neben sie.
»Keine Zeit. Das Rennen startet nächste Woche, und ich habe mit Harry Frost, der Josephine ermorden will, und einem Saboteur, der es auf Flugmaschinen abgesehen hat, alle Hände voll zu tun.«
»Ich dachte, Archie hätte Frost erschossen.«
»Drei Mal hat er ihn mit dieser kleinen deutschen Pistole getroffen, von der er sich nicht trennen will.« Bell schüttelte sichtlich betroffen den Kopf. »Ich dachte, ich hätte Frost ebenfalls getroffen. Er ist sicher verwundet, aber ganz eindeutig nicht außer Gefecht gesetzt. Ein Bankier in Cincinnati meldete, dass Frosts Unterkiefer geschwollen war und er undeutlich redete, ansonsten machte er aber einen unversehrten, gesunden Eindruck, was kaum nach einem Mann klingt, der mehrere Bleikugeln in seinem Körper mit herumschleppt.«
»Vielleicht hast du ihn verfehlt.«
»Nicht mit meiner Browning. Die schießt nicht daneben. Und ich weiß, dass ich gesehen habe, wie Archie ihn aus kürzester Entfernung traf. Er konnte ihn unmöglich verfehlen. Aber Frost ist ein großer Mann. Wenn die Kugeln keine lebenswichtigen Organe getroffen haben, wer weiß? Trotzdem ist es so etwas wie ein Wunder.«
Isaac Bell hatte sich angewöhnt, sich mit Marion über seine jeweiligen Fälle zu unterhalten. Sie war eine gebildete Frau mit wachem und scharfem Verstand und konnte stets zu jedem Problem mit einer neuen Perspektive aufwarten. Er sagte: »Da wir gerade von mysteriösen Fehlschüssen reden, Frost selbst ist offensichtlich einer seiner Schüsse auf Marco Celere danebengegangen. Ein leichter Schuss, den kein Jäger vermasseln würde. Ich habe herausgefunden, dass das Zielfernrohr des Gewehrs, das er vermutlich benutzt hat, beschädigt war. Das ist nur ein weiterer Grund, weshalb ich die sterblichen Überreste Celeres finden möchte.«
»Könnte Harry Frost so etwas wie eine Rüstung getragen haben, als er den Überfall inszenierte?«
»Eine Rüstung schützt nicht vor Gewehrkugeln. Deshalb waren die Ritter mit der Erfindung des Schießpulvers aus dem Geschäft.«
»Was ist mit einem Kettenhemd?«
»Interessanter Gedanke, denn mit modernen Stahllegierungen könnte man ein Kettenhemd herstellen, das ausreichend widerstandsfähig ist, um ein Geschoss aufzuhalten. Der Himmel mag wissen, was so ein Ding wiegen würde. Vor einigen Jahren testete die Army sogenannte kugelsichere Westen. Aber sie waren zu schwer und bei Hitze auch zu ungemütlich, um praktisch eingesetzt zu werden … Ein interessanter Gedanke, meine Liebe. Ich werde Grady Forrer und seine Rechercheure gleich morgen früh auf diesen Aspekt aufmerksam machen, damit sie ihm einmal nachgehen.«
Marion streckte sich genussvoll. »Gibt es noch andere Rätsel, die ich für dich lösen kann?«
»Mehrere.«
»Angefangen womit?«
»Wo ist Marco Celeres Leiche.«
»Gibt es … noch mehr?«
»Weshalb besteht die italienische Lady, von der ich mein Aeroplan gekauft habe, darauf, dass Marco Celere die Konstruktionsgeheimnisse ihres Vaters gestohlen hat, während Josephine darauf beharrt, dass Miss Di Vecchios Vater für Celere gearbeitet hat und dieser daher keine Geheimnisse zu stehlen brauchte?«
»Wie ist diese Miss Di Vecchio?«
»Geradezu erschreckend attraktiv.«
»Wirklich?«
»Tatsächlich so attraktiv, dass man kaum glauben kann, dass Marco Celere oder irgendein anderer Mann ihr die kalte Schulter zeigen würde.«
»Wie konntest du ihr entkommen?«
Bell stieß mit ihr an. »Ich bin immun.«
»Blind für Schönheit?«, neckte sie ihn.
»Ich liebe eine gewisse Marion Morgan, die zu jeder Tages- und Nachtzeit mein Herz gefangen hält.«
Marion erwiderte sein Lächeln. »Vielleicht hatte Marco ein Auge auf Josephine geworfen.«
»Josephine ist sicherlich ein reizendes Geschöpf, spielt aber nicht in Danielle Di Vecchios Liga. Sie ist ein hübsches kleines Ding, burschikos und kokett, doch eher Farmerstochter als Femme fatale. Aber auch ehrgeizig? Zumindest was das Fliegen betrifft«, sagte Bell, »und sehr
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