Todesrosen
du Penner währenddessen? Wo hast du dir einen abgewichst, während er sie umgebracht hat, deine beste Freundin?«
Janus griff nach dem Benzinkanister und begann, den Verschluss aufzuschrauben.
»Du hast ihm vielleicht dabei geholfen, ey? Dicke Freundschaft. Ihr habt sie vielleicht zusammen umgebracht. Ihr beide habt da gemeinsame Sache gemacht, und jetzt habt ihr Schiss vor Herbie, dass er auspacken könnte, stimmt’s nicht? Hat Kalmann dich auf mich angesetzt, um mich umzubringen? Ist das so, you fucking piece of shit? «
Janus ließ Benzin auf die Stangen und auf Herbert träufeln, der nach Luft schnappte, als es ihm ins Gesicht spritzte. Er spürte den Benzingeschmack im Mund. Janus begoss ihn ziemlich ausgiebig, schraubte dann den Kanister in aller Ruhe zu, stellte ihn auf dem Gitter ab und nahm eine Schachtel Streichhölzer zur Hand. Herbert brüllte ihn aus der Lade an und überschüttete ihn mit Verwünschungen. Er spannte sämtliche Muskeln an und versuchte, das Gitter hochzudrücken. Aber es saß fest.
Janus war zur Salzsäule erstarrt. Es rauschte in seinen Ohren. Er zog ein Streichholz aus der Schachtel, mit dem er wie in Trance an der Reibfläche entlangfuhr. Als es aufflammte, schrak er zusammen, und die gelbe Glut brannte bis zu seinen Fingern, während er sich wieder fing. Herbert schrie auf, als Janus das abgebrannte Streichholz losließ, das ihm ins Gesicht fiel. Er brüllte wie ein Tier, weil er erwartete, im Bruchteil einer Sekunde von lodernden Flammen umgeben zu sein, doch als nichts geschah, verstummten die Schreie allmählich. Er starrte mit hasserfüllten Augen durch das Gestänge zu Janus hoch.
»Das nächste Mal brennt es, wenn es herunterfällt«, sagte Janus mit zittriger Stimme. »Am liebsten würde ich dich hier in der Lade verschmoren lassen. Und das wird geschehen, wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will. Begreif das endlich.«
Herbert lag stumm da, hörte Janus zu und nickte.
»Sag mir, wo ich die Unterlagen über dich und Kalmann finden kann.«
»Wie kann ich sicher sein, dass du mich freilässt, wenn ich dir sage, was ich weiß?«, fragte Herbert.
»Das kannst du nicht«, entgegnete Janus.
»Pah«, erklang es von unten aus der Lade.
»Wo sind die Papiere? Wo bewahrst du das Zeug auf?«
»Schnauze, du dämlicher Wichser«, schrie Herbert und versuchte hochzuspucken.
Janus nahm die Streichholzschachtel wieder in die Hand und holte mit zitternden Fingern ein weiteres Streichholz heraus. Er hatte das Gefühl, der Boden würde ihm unter den Füßen weggezogen. Herbert beobachtete mit weit aufgerissenen Augen, wie Janus das Spiel wiederholte. Er wollte noch einen Versuch machen, bevor er kapitulierte. Er konnte nicht glauben, dass Janus es über sich bringen würde, ihn anzuzünden.
»Du traust dich ja doch nicht, du Arschloch«, brüllte er zu Janus hoch, der jetzt ein brennendes Streichholz zwischen den Fingern hielt und auf Herbert hinuntersah. Er hielt es durch das Gestänge hindurch direkt vor Herberts Gesicht, und in dem Augenblick, als er im Begriff war, es fallen zu lassen, wimmerte Herbert auf und bat um alles in der Welt um Gnade.
Dreiundzwanzig
Birtas Mutter bat ihren Chef, ihr für den Rest des Tages freizugeben, und Erlendur und Sigurður Óli begleiteten sie nach Hause. Sie war damit einverstanden, noch am gleichen Tag mit ihnen nach Reykjavík zu fliegen. Sie lebte in einem kleinen, hübschen Reihenhaus. Es war viele Jahre her, seit Birta ausgezogen war, und ihre Tochter hatte nicht viele Dinge dagelassen, die an sie erinnerten. Sie betrachteten einige ältere Fotos von ihr, sahen sich die Bücher an, die sie gelesen hatte, und eine kleine Keramikplatte mit dem Abdruck ihrer Hand. Erla erklärte ihnen, dass sie sie als Vierjährige im Kindergarten gemacht hatte. Es gab nur sehr wenige Briefe von ihr aus Reykjavík, denn sie hatte bald aufgehört zu schreiben.
Die Mutter war über die Nachricht vom Tod ihrer Tochter sichtlich erschüttert. Immer wieder kamen ihr die Tränen, und Erlendur und Sigurður erkundigten sich, ob sie nicht jemanden bei sich haben wolle. Als sie vorschlugen, den Pfarrer zu holen, lehnte sie das ab. Auf die Frage, ob es in Ísafjörður Leute gebe, die Birta noch von früher her kannten und womöglich imstande waren, weitere Auskünfte über sie zu geben, konnte Erla ihnen niemanden nennen. Birta war vor fünf Jahren nach Reykjavík gegangen, und von denen, die sie hier in den Westfjorden gekannt hatten, war sicher nichts Neues
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