Todesrosen
Mädchen gewesen, ein bisschen verschlossen und schüchtern vielleicht, aber immer hilfsbereit und herzensgut. Sie hatten zwar nicht viel Geld gehabt, aber es hatte ihnen an nichts Wesentlichem gemangelt.
Als Birta nach zehn Jahren an der Grundschule ins Gymnasium übergewechselt war, hatte sich ihr Verhalten ziemlich bald geändert.
»Sie ist in schlechte Gesellschaft geraten, wie es so schön heißt«, sagte Erla, die vor Erlendurs Schreibtisch saß. Sigurður Óli lehnte an dem Aktenschrank hinter ihm. »Die haben da natürlich Hasch und so ein Zeugs ausprobiert, aber im Gegensatz zu den anderen konnte Birta nicht damit umgehen. Damals wurde wohl ein Prozess in Gang gesetzt, für den ich keinerlei Erklärung habe. Ich war nie mit so etwas in Berührung gekommen. Sie brauchte schon nach kurzer Zeit mehr und noch mehr. Es ging alles so rasant schnell. Sie war noch keine siebzehn, als sie diese starken Pillen nahm, ich weiß nicht richtig, wie die heißen, Ektasie oder so ähnlich.«
»Ecstasy«, warf Sigurður Óli ein.
»Und irgendetwas, das sie Speed nannte, und auch dieses Crack. Wir sind uns natürlich darüber ständig in die Haare geraten. Vor zwei Jahren habe ich sie zum letzten Mal gesehen, und auf dem Foto, das ihr dabeihattet, hätte ich sie nicht wiedererkannt. Das arme Kind. Wie kann man nur diesem Gift so hörig werden. Alles, was sie gemacht hat, diese ganzen Rauschmittel und ihre Lebensweise, als ob sie es darauf angelegt hätte, sich zu zerstören. Ich begreife das nicht.«
»Und da war nichts in ihrer Kindheit oder irgendwelche Erlebnisse in der Jugend, die eine solche Entwicklung erklären könnten?«, fragte Erlendur.
»Ich würde sagen, sie stammt aus einem ganz normalen isländischen Zuhause, falls es das ist, was du meinst. Ja, natürlich war da die Scheidung, aber das war ja nur zwischen mir und ihrem Vater.«
»Sie hat nie versucht, eine Entzugstherapie zu machen?«, fragte Sigurður Óli.
»Darüber hat sie nur gelacht. Sie hat immer nur gelacht, wenn man ihr gut zureden wollte. Das fand sie alles nur albern. Sie lachte mich einfach aus, wenn ich versuchte, mit ihr zu sprechen. Sie war sehr überheblich denen gegenüber, die es wagten, ihr wegen ihrer zerstörerischen Lebensweise Vorhaltungen zu machen. Sie fertigte alle, die sich um sie sorgten und ihr helfen wollten, hochmütig ab. Da habe ich irgendwann aufgehört, mich um sie zu kümmern. Ich weiß, es ist schrecklich, so etwas zu sagen, aber so war es. Man wird es leid, versteht ihr, was ich meine? Man wird einfach müde.«
»Ich glaube, ich weiß, was du meinst«, sagte Erlendur.
»Das ist also der Grund dafür, weshalb sie nicht vermisst wurde. Sie hat zu niemandem in der Familie Kontakt gehabt«, sagte Sigurður Óli.
»Es wäre mir nie eingefallen, die Nachricht von dem toten Mädchen auf dem Friedhof mit ihr in Verbindung zu bringen, das war mir niemals in den Sinn gekommen. So blind kann man sein. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie tot war.«
»Wusstest du, in welche Kreise sie hier in Reykjavík geraten war?«, fragte Erlendur. »Oder mit wem sie Umgang hatte?«
»Eigentlich nicht. Ich wusste, dass sie eine Freundin hatte, sie hieß Charlotte, glaube ich, und dann hat sie noch ihren alten Freund aus den Westfjorden wiedergetroffen. Einen Jungen, der mit ihr in der Volksschule war und der auch nach Reykjavík gezogen ist.«
»Wohl dieser Janus?«
»Ja, er hieß Janus. Seine Mutter Guðrún und ich kannten uns ganz gut.«
»Wie heißt sie mit vollständigem Namen?«
»Guðrún Þorsteinsdóttir.«
»Hat Birta jemals über einen Mann namens Herbert gesprochen?«, fragte Sigurður Óli.
»Davon weiß ich nichts. Den Namen hat sie nie genannt. Wer ist das?«
»Ein Mann, von dem wir glauben, dass sie ihn gekannt hat«, antwortete Sigurður Óli, ohne näher darauf einzugehen.
»Und dann ist da noch die Sache mit Jón Sigurðsson«, sagte Erlendur. »Hat es deiner Meinung nach irgendeine tiefere Bedeutung, dass sie auf seinem Grab niedergelegt wurde?«
»Nein, keine Ahnung«, antwortete Erla. »Das ist etwas, was ich überhaupt nicht begreife. Was hat Jón Sigurðsson damit zu tun?«
Erlendur und Sigurður Óli zuckten mit den Achseln.
Erla erhielt jede erdenkliche Hilfe bei der Überführung ihrer Tochter nach Ísafjörður. Der weiße Sarg rollte auf dem Förderband in den Gepäckraum der Maschine. Da alles schnell und reibungslos über die Bühne gebracht wurde, hatte man verhindern können,
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