TODESSAAT
an.
Doch der Necroscope schüttelte den Kopf. »Ich brauche das Motorrad nicht, Pete. Nicht mehr.«
Hey, stimmt, sagte der Ex-Angel niedergeschlagen. Du hast ja deine eigene Art, dich fortzubewegen. Aber was ist mit mir?
Harry überlegte eine Zeit lang und lächelte dann matt. Dass er trotz allem noch ein Lächeln zustande brachte, zeigte, welche Kraft in ihm steckte. Pete, der Biker, las seine Gedanken und brach in ein Freudengeheul aus. Necroscope, ist das dein Ernst? Vor Aufregung verschlug es ihm die Sprache.
»Klar«, sagte Harry. »Warum denn nicht?« Damit stiegen sie auf die schwere Maschine.
Sie wendeten, fanden eine gerade Strecke mit festem, felsfreiem Untergrund und gaben Gas. In der sternenbeschienenen Stille Starsides klang es wie das Brüllen eines Sauriers. Während sie mit hundert dahinjagten und eine Staubwolke von einer halben Meile Länge hinter sich herzogen, beschwor Harry ein Möbiustor herauf, und sie schossen hindurch. Gleich darauf durchbrachen sie ein weiteres Tor, das in die Zukunft führte. Und jetzt fuhren sie neben einer ganzen Reihe blauer und grüner und (wie Harry feststellte) sogar neben ein paar roten Lebenslinien in die Zukunft. Die blauen waren Traveller, die grünen mussten Trogs sein, und die roten ...
... Vampire? Pete hatte den Gedanken aufgeschnappt.
Sieht so aus, seufzte Harry.
Doch Pete lachte nur wie ein Verrückter. Typen wie ich!, brüllte er.
Eine Zeit lang fuhren sie weiter, bis Harry schließlich sagte: Pete, hier werde ich absteigen.
Du meinst ... sie gehört jetzt mir?
In alle Ewigkeit. Und du brauchst nie mehr anzuhalten.
Pete wusste nicht, wie er ihm danken sollte. Deshalb versuchte er es gar nicht erst. Harry öffnete eine Tür in die Vergangenheit, hielt einen Moment inne, ehe er über die Schwelle trat, und sah zu, wie die schwere Harley in die Zukunft raste. Als Letztes hörte er den Freudenschrei des Angels widerhallen: Heeehaaaaaaaaaa! Nun ja, wenigstens Pete war jetzt glücklich.
Danach kehrte Harry nach Starside und in den Garten zurück ...
Der Necroscope stand am vorderen Rand des Gartens, seine Hände ruhten auf der niedrigen Steinmauer. Er blickte hinab auf Starside. Irgendwo zwischen hier und den ehemaligen Territorien der Wamphyri, in denen die zerstörten Überreste ihrer Festen in Trümmern lagen, musste das schmerzhaft grelle Leuchten des Sphärentores – dieser Seite der ›Pforte‹ durch das Raum-Zeit-Gefüge, des Spalts zwischen den Dimensionen, dessen Gegenstück in Perchorsk lag – die steinige Ebene erhellen. Harry bildete sich ein, selbst von hier aus könne er den Schein ausmachen, ein geisterhaftes Schimmern dort unten, weit entfernt in den grauen Ausläufern des Gebirges.
Gemeinsam mit dem körperlosen Pete hatte Harry auf der schweren Maschine das Tor nach Starside passiert, das blendende Gleißen des »grauen Loches« von Perchorsk hinter sich gelassen und war auf der Findlingsebene gelandet. Doch er erinnerte sich kaum daran. Woran er sich erinnerte, war das letzte Mal, als er hier gewesen war. Merkwürdig, aber es kam ihm wirklicher vor als alles, was sich in der Zwischenzeit ereignet hatte. Wahrscheinlich weil er sich jetzt wünschte, er könnte es vergessen.
Er wandte den Kopf weiter nach Norden und blickte hinaus auf die unbekannten Weiten Starsides, die sich Meile um Meile bis zur Krümmung des Horizonts erstreckten, der sich dunkelblau und smaragdgrün unter dem dahinziehenden Mond, den glitzernden Sternen und dem verlockenden Leuchten des Polarlichts abzeichnete. In dieser Richtung lagen die Eislande, in denen die Sonne niemals schien. Dahin hatten die Wamphyri seit undenklichen Zeiten ihre Verurteilten, ihre Aufgegebenen und Vergessenen in die Verbannung geschickt. Auch Shaithis hatte diesen Weg gewählt, nachdem die Wamphyri in der Schlacht um den Garten des Herrn unterlegen und ihre Festen geschleift worden waren. Harry dachte daran, wie Shaithis in der Ruhe und dem Frieden, die nach der Schlacht eingekehrt waren, auf dem Rücken eines gewaltigen Flugrochens nach Norden gejagt war.
Harry und Lady Karen hatten mit Shaithis gesprochen, ehe er freiwillig ins Exil gegangen war. Selbst da hatte der Vampir keine Reue gezeigt, stattdessen seine Gier nach Karens Körper offen zur Schau getragen und mehr noch seine Gier nach den Herzen von Harry und dem Herrn des Gartens. Doch vergeblich. Damals zumindest.
Was den Necroscopen betraf, hatte er mit Lady Karen seine eigenen Pläne verfolgt. Denn wie sein Sohn trug
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