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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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seine letzte Unterhaltung mit dem großen Mathematiker. Er biss sich auf die Unterlippe. »Falls ... falls ich Möbius unabsichtlich beleidigt habe, Mutter ... es war wirklich keine Absicht, verstehst du? Ich meine, ich war zu der Zeit nicht ganz ich selbst.«
    Das sagte er auch, Sohn, und er sagte, er werde nie mehr mit dir sprechen.
    »Oje!«, machte Harry niedergeschlagen. Möbius hatte zu seinen besten und engsten Freunden gehört. »Das tut mir so leid.«
    Du verstehst das falsch, Harry, widersprach ihm seine Mutter. Er wird nicht mehr mit dir sprechen, weil er nicht mehr da sein wird! Auch er muss woanders hingehen, jedenfalls glaubt er das. Er hat über vieles gesprochen, was ich nicht verstanden habe: Raum und Zeit, Raumzeit, das kegelförmige Universum des Lichts ...? Und er meinte, bei deiner Begründung bleibe eine wichtige Frage offen.
    »Tatsächlich?«
    Ja. Die Existenz ... des ... Kontinuums ... er ... sagte ... glaubt, er weiß ... was es ... der Verstand ... Ihre Totensprache zerfaserte regelrecht, und zum letzten Mal, wie Harry klar war.
    »Mutter?« Nun hatte er Angst.
    Möbius sagte ... war ... der Verstand, Harry, der ... Geist ...
    »Hast du etwas vom Geist gesagt, Mutter? Mutter?«
    Sie versuchte zu antworten, schaffte es jedoch nicht. Nur ein fernes letztes Flüstern erreichte ihn: Haaarrry ... Haaarrry ...
    Und dann Schweigen.
    Paxton hatte die Akte des Necroscopen gelesen und wusste deshalb eine ganze Menge über ihn. Das meiste davon wäre gewöhnlichen Menschen unglaublich erschienen, doch zu denen gehörte Paxton nicht. Vom gegenüberliegenden Ufer aus beobachtete er Harry durch ein Fernglas und dachte: Dieser eigenartige Kerl unterhält sich tatsächlich mit seiner Mutter, einer Frau, die schon ein Vierteljahrhundert tot und längst verwest ist! Und dann behaupten die, schon Telepathie sei etwas Eigenartiges!
    Harry lauschte seinen Gedanken und wusste somit, dass Paxton seine Unterhaltung mit seiner Mutter belauscht hatte, jedenfalls alles, was Harry gesagt hatte. Diese Erkenntnis machte ihn wütend. Allerdings war es eine kalte Wut, nicht der hitzige Zorn von neulich Abend. Und wieder kam ihm Faethors Ratschlag in den Sinn: ›Er will in deine Gedanken eindringen? Dringe stattdessen in seine ein!‹
    Paxton sah, wie der Necroscope hinter einem Busch verschwand und wartete darauf, dass er auf der anderen Seite wieder erschien. Aber das geschah nicht. Muss er mal?, fragte sich der ESPer.
    »Keineswegs«, sagte Harry leise hinter ihm. »Aber wenn ich muss, dann möchte ich sichergehen, dass niemand zusieht.«
    »Wa...?« Der Gedankenspion wirbelte herum, stolperte und kam am Rand des Flusses ins Wanken. Harry packte ihn lässig an seiner Jacke und half ihm, wieder sicher zu stehen, wobei er ihn – ohne jeden Humor – angrinste. Dabei musterte er den anderen: ein kleines, hageres, vertrocknetes Männchen Ende zwanzig mit dem Gesicht und den Augen eines Wiesels. Seine telepathische Fähigkeit entsprach wahrscheinlich dem Bedürfnis der Natur, andere Defekte zu kompensieren.
    »Paxton«, sagte Harry mit gefährlich sanfter Stimme, »du bist eine miese, dreckige, gedankenschnüfflerische Kakerlake! Ich schätze, als dein Vater dich gezeugt hat, ist der größte Teil seines Spermas durch einen Riss im Gummi am Bein deiner Mutter hinabgeronnen und auf den Boden des Bordells geklatscht. Du Kakerlake hast mein Revier betreten und mir einen Juckreiz beschert. Ich habe jedes Recht, etwas gegen dich zu unternehmen, stimmt’s?«
    Paxton klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, bevor er seine Geistesgegenwart schließlich wiedergewann. »Ich ... ich erledige ... bloß meinen Job, das ist alles«, stammelte er und versuchte, sich aus Harrys Griff zu befreien. Doch der Necroscope hielt ihn eisern fest, anscheinend ohne jede Kraftanstrengung.
    »Du erledigst deinen Job?«, wiederholte Harry. »Für wen denn, du Kakerlake?«
    »Das geht dich einen feuchten ...«, wollte Paxton sagen.
    Harry schüttelte ihn und funkelte ihn an, und zum ersten Mal bemerkte Paxton das rote Glühen hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille. Ein zorniges rotes Glühen – das aus seinen Augen kam!
    »Für das E-Dezernat?« Harrys Stimme war zwar leiser geworden, glich nun aber eher einem Grollen.
    »Ja – nein!«, brach es aus Paxton heraus. Er war weich gekocht, und alles, was er wollte, war, aus seiner Lage zu entkommen. Zu diesem Zweck würde er alles sagen, was ihm in den Sinn kam.
    Harry wusste das,

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