TODESSAAT
ihren.
Dann war es Nachmittag, und Harry sagte: »Penny, ich glaube, jetzt kannst du nach Hause gehen.«
Er hatte ihr eingeimpft, was sie erzählen sollte: Dass es nicht ihre Leiche gewesen sein konnte, die die Polizei gefunden hatte, sondern irgendeine andere, die ihr sehr ähnlich sah. Dass sie selbst unter Amnesie oder etwas Ähnlichem gelitten habe, bis sie plötzlich zu Hause in Yorkshire auf der Straße daraus erwacht sei. Sonst nichts – sie sollte nichts ausschmücken. Und natürlich kein Wort über Harry Keogh verlieren!
Er notierte ihre Kleidergrößen, sprang per Möbius-Kontinuum nach Edinburgh und kaufte Kleidung für sie ein, wartete dann, während sie sich hastig anzog. Er hatte vergessen, Schuhe zu besorgen, doch sie war bereit, barfuß zu gehen. Hätte es sein müssen, wäre sie auch nackt nach Hause gelaufen.
Er brachte sie heim. Nur auf dem Moorgelände außerhalb ihres Heimatdorfes unterbrach er den Möbius-Trip (auch etwas, was sie kaum glauben mochte), um ihr noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Er warnte sie: »Penny, von jetzt an wird dein normales Leben wieder beginnen. Vielleicht wirst du irgendwann selbst an die Geschichte glauben, die wir für dich erfunden haben. Es wäre besser für dich und für uns alle, wenn du das könntest. Ganz sicher wäre es besser für mich!«
»Aber ... ich werde dich doch wiedersehen?« Die Erkenntnis dessen, was sie gefunden hatte und nun wieder verlieren würde, kam ihr ganz plötzlich.
Er schüttelte den Kopf. »Menschen kommen und gehen, Penny, das bleibt so dein ganzes Leben lang.«
»Auch im Tod?«
»Du hast mir versprochen, dass du das vergessen wirst. Es gehört nicht zu deiner Geschichte, klar?«
Und dann der Rest des Sprungs bis zu einer Ecke, die sie ihr Leben lang gekannt hatte. »Leb wohl, Penny!«
Als sie sich umblickte, war er verschwunden ...
Daheim in Bonnyrig wartete Jordan auf ihn. Er hatte sich etwas beruhigt, strahlte aber immer noch Ehrfurcht und Staunen und eine tiefe Freude aus. Er wirkte, als sei er gerade von einem langen Urlaub zurückgekehrt. »Harry, ich bin zu allen Schandtaten bereit. Sag mir einfach, was ich zu tun habe.«
»Du musst gar nichts tun. Schließe mich nur nicht aus deinem Gehirn aus, das ist alles. Ich muss unbedingt hinein und von deinen Fähigkeiten lernen.«
»So wie Janos?«
Harry schüttelte den Kopf. »Nicht so wie Janos. Ich habe dich nicht zurückgeholt, um dich nun zu verletzen! Nicht einmal aus Eigennutz. Es liegt an dir. Falls es dir nicht gefällt, mich in dein Gehirn einzulassen, dann sag es mir. Wenn, so muss es freiwillig geschehen.«
Jordan sah ihn an. »Du hast nicht nur mein Leben gerettet, Harry, sondern es mir zurückgegeben! Du kannst alles von mir verlangen, was du willst!«
Der Necroscope sandte seine sich entwickelnden Wamphyri-Fühler direkt in Jordans Kopf, der andere machte ihm den Weg frei und zog ihn hinein. Harry fand, wonach er suchte: Es war der Totensprache so ähnlich, dass er es sofort erkannte. Der Mechanismus war einfach – ein Teil der menschlichen Psyche. Eineiige Zwillinge besaßen diese Gabe manchmal. Aber sie dort zu entdecken, hieß nicht gleich, sie auch benutzen zu können.
Harry zog sich zurück und sagte: »Jetzt bist du dran.«
Für Jordan war es ein Leichtes. Er war ja bereits Telepath. Er blickte in Harrys Verstand und fand den ›Schalter‹, den ihm der Necroscope mental gezeigt hatte. Er musste lediglich gelöst werden. Danach konnte Harry ihn wie einen Lichtschalter nach Belieben an- oder ausknipsen.
»Versuche es!«, sagte Jordan, nachdem er sich wieder zurückgezogen hatte.
Harry stellte sich Zek Föener vor, die selbst eine starke Telepathin war, und tastete mit seiner neuen Gabe hinaus.
Er (nein, SIE) schwamm im warmen blauen Wasser des Mittelmeers, die Harpune zum Fischen an der Seite, vor der Insel Zakinthos, wo sie mit ihrem Ehemann, Jazz Simmons, wohnte. Sie befand sich in zwanzig Fuß Tiefe, legte mit der Harpune an und zielte auf einen schönen Rotbarsch, der dicht über dem sandigen Grund stand.
»Test ... Test ... Test«, sagte Harry mit einer gehörigen Portion trockenen Humors. Sie verschluckte sich am Salzwasser, das plötzlich durch ihren Schnorchel schoss, drückte vorzeitig ab und verfehlte den Fisch natürlich. Dann ließ sie die Harpune fallen und schwamm hektisch und verzweifelt zur Oberfläche, wo sie erst einmal spuckte und hustete. Bis ihr zu Bewusstsein kam, dass die Worte, die sie vernommen hatte,
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