TODESSAAT
als gelte es, die kalten Diamantsterne zu erreichen.
Hinter Shaithis zerriss eine Bombenexplosion aus goldhellem, sengendem Licht die Berge; ein Splitter purer Sonnenhelligkeit zuckte speergleich von jenseits der Bergbarriere, von Sunside, heran. Er spürte es deutlich; spürte, wie das Gleißen auf seine Robe aus schwarzem Fledermauspelz traf, und krümmte sich – und wusste, dass sie zu hoch geflogen waren. Sonnauf! Das langsame Gekrieche der Sonne brachte ihren glutflüssigen gelben Rand in Sicht. Kaltblütig, wie er war, vermochte Shaithis nur zu deutlich ihr Brennen auf dem Rücken zu spüren.
Mit dem Geist jener fliegenden Bestie aufs Engste verbunden, die zu einem Großteil aus einem Menschen geschaffen worden war, erteilte Shaithis nun sein Kommando: Gleiten! Es war, obgleich nur eine geringe Anstrengung, eine Vergeudung mentaler Kraft, hatte der Geflügelte doch längst ebenfalls die bedrohlichen Strahlen der Sonne gespürt. Die Enden der enormen Mantaschwingen wölbten sich aufwärts; der rasende Flügelschlag endete abrupt; mit gesenktem Schädel verfiel die unheimliche Reit-Kreatur in einen flachen Schwebeflug. Shaithis seufzte vor Erleichterung und verfiel abermals in dumpfes, düsteres Gegrübel.
Lady Karen ... Eine ›Mutter‹, wie einige zu sagen pflegten, deren Vampir eines Tages Hunderte von Eiern aus ihrem Leib hervorbringen würde! In einiger, heute noch unvorhersehbarer Zukunft würde es neue Felsenfesten geben auf Starside, und sie alle würden bevölkert sein von Karens schwarzer Brut, einer wimmelnden Masse, jener in Bienenstöcken gleich – mit ihr als Königin aller Wamphyri! Zweifellos existierte ein Waffenstillstand zwischen Karen und dem Herrn des Gartens, vielleicht eine Art Frieden und sogar Fleischesbande. Wie dies je hatte geschehen können, war Shaithis nicht imstande, auch nur gedanklich zu erörtern. Doch hatte er Harry Keogh und Karen nicht mit eigenen Augen zusammen gesehen – auf ihrer Felsensäule, in ihrer Feste auf Starside, welche als einzige noch stand, wohingegegen die anderen Horste in Trümmern lagen?
Karen ... Ohne Ausnahme hatte es die Vampir-Lords allesamt wie rasend nach ihrem Körper und Blut gelüstet. Und wäre im Kampf um den Garten alles wie geplant verlaufen – Shaithis hätte das Recht des Ersten für sich beansprucht. Nun, das war ein Gedanke, den es auszukosten galt!
Karen.
Shaithis erinnerte sich ihrer, wie er sie einst gesehen hatte, auf jener Zusammenkunft aller Wamphyri-Lords in Karens Feste: Ihre Haare hatten die Farbe polierten Kupfers; sie schienen in Flammen zu stehen, loderten wie fein gesponnenes Gold weit über ihre Schultern herab und wetteiferten mit den goldenen Reifen, welche die Arme schmückten. Schmale goldene Ringe, aufgefädelt auf eine ebenfalls goldene Halskette, betonten dieses an ihrem Leib klebende Futteral von einem Kleid, das die üppige linke Brust sowie die rechte Pobacke entblößt ließ, sodass, da sie keinerlei Unterwäsche trug, die Wirkung explosiv war. Hätten die Lords, die sie nun so erblickten, ihre Kampfhandschuhe getragen, und wäre die Tagesordnung des Treffens nur geringfügig weniger als aufs Äußerste wichtig gewesen, so hätten sich die Tatkräftigsten und Wildesten von ihnen gewiss aufeinander gestürzt und wie eine Hundemeute um sie gekämpft. Und welcher Wamphyri war nicht tatkräftig und wild?
Von einer ihrer blassen, perfekten Schultern hatte sich ein rauchzarter dunkler Mantel ergossen, kunstfertig aus dem Pelz von Fledermäusen gewoben, ein Zickzackmuster feinster goldener Stickerei schimmerte darin; an ihren Füßen Sandalen aus bleichem Leder, gleichfalls mit Gold bestickt; und von den Ohrläppchen baumelten goldene Scheiben, verziert mit ihrem Siegel, dem Schädel eines zähnefletschenden Wolfes.
Sie war atemberaubend anzuschauen gewesen! Und Shaithis hatte wahrgenommen, wie die Gedanken seiner Lord-Gefährten so heiß wurden wie ihr Blut, und er hatte gewusst – sie alle wollten in ihr sein. Selbst die Gedanken des Schlauesten und Allerverschlagensten unter ihnen – Shaithis höchstselbst! – waren abgelenkt, was die Hexe natürlich beabsichtigte! Ja, sie war gerissen, diese Karen. Er konnte sie immer noch sehen, ein loderndes Abbild vor seinem geistigen Auge.
Ihr Körper bewegte sich so geschmeidig wie jene der Traveller-Frauen im Tanze, und doch wirkte sie so ungekünstelt wie ein unschuldiges Mädchen. Auch ihr Gesicht – herzförmig, eine feuerrote Haarsträhne über eine ihrer
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