TODESSAAT
wonach er im Wachzustand strebte. Das Traumbild war ganz von selbst bereits seit einiger Zeit in den dunkleren Kammern seines Unterbewusstseins herangereift, bevor es sich nun jählings zu einer geordneten, jedoch an Raserei grenzenden Abfolge von Bildern, Szenarien und Gefühlen verfestigte:
Es war Shaithis’ Galaempfang, sein Triumph, der Moment seines Ruhms. Die Lady Karen kniete nackt zwischen seinen gespreizten Schenkeln und schürte das Feuer seiner mächtigen Hoden, liebkoste die blassrote runde Spitze seines gewaltig angeschwollenen Phallus, knabberte ( sehr behutsam) daran und hielt in ihrem Tun nur gelegentlich inne, um das pulsierende Fleisch ein wenig zwischen ihren perfekten Brüsten zu beruhigen. Shaithis fühlte sich aufs Wunderbarste behaglich und lehnte sich auf Dramal Schicksalsleibs hoch emporragendem Knochenthron zurück. Er befand sich in Karens Felsenhorst – jenem Letzten der großen Felsentürme der Wamphyri, den er nun endlich mit dem Recht des Eroberers sein Eigen nannte – und besah sich alle Personen, Kreaturen und Besitztümer, die nun ebenfalls sein waren, ihm ausgeliefert, sie zu missbrauchen oder zu vernichten, ob, wann und wie auch immer es ihm beliebte.
Über den kilometerhohen Strebepfeilern der Festung, jenseits ihrer Brustwehren und Balkons aus versteinerten Knochen, Fels, Haut und Knorpel gesellten sich neue Sterne jenen zu, die sich bereits am dunkler werdenden Himmel zeigten. Die Sonne versank hinter Sunside und fächerte zum letzten Mal einen goldenen Strahlenkranz übers Land. Für atemlose Momente zeichnete sich die Gebirgsbarriere als massiver, gezackter Schattenriss ab, während sich die gleißenden Spitzen ihrer Gipfel erst purpurn und schließlich grau färbten.
Dann ... glitt der sich rapide ausdehnende Schatten der Berge wie ein ungeheurer schwarzer Fleck über die Findlingsebenen Starsides und hüllte sie in Dunkelheit. Zuletzt war jenes Sonnunter gekommen, das Shaithis so lange herbeigesehnt hatte: die Stunde seines größten Triumphes – und seiner Rache.
Auf ein Zeichen hin zogen seine Leutnants die schweren Gobelins von den Fenstern, schnitten Karens Siegel heraus und ließen sie hinab in die Abgründe der Finsternis wirbeln. Sodann wurden die längeren, spitz zulaufenden Flaggen mit Shaithis’ neuem Wappen entrollt – einem stahlstrotzenden Wamphyri-Kampfhandschuh, der sich drohend über jener grell leuchtenden Sphäre erhob, die Starsides Portal zu den Höllenländern darstellte; wurden entrollt und ins Freie hinaus den dünnen, böig-wogenden Luftströmungen über den hohen Brustwehren anvertraut.
»Das war mein Wille!«, grollte er, »und so ist es gekommen.« Er besah sich alles und jeden und forderte sie mit seinem Blick heraus, nur das Mindeste in Abrede zu stellen – falls sie es denn wagten. Doch zugleich wusste Shaithis tief im Innern, dass der Sieg nicht allein ihm gehörte, jedenfalls nicht in Gänze. Dass er nicht einmal für sich beanspruchen konnte, ihn allein errungen oder die fremden Mächte und Zauberwaffen des Bewohners aus eigener Kraft zerschlagen zu haben ... Nein, dies alles hatte erst ein dunkler Handel möglich gemacht.
Shaithis konnte sich nicht genau daran erinnern, wie die Schlacht gewonnen worden war; dass er allerdings einen mächtigen Verbündeten zur Seite gehabt hatte und immer noch hatte, wusste er sehr wohl, selbst in diesem Moment. Doch was für einen Unterschied machte das schon? Schließlich schien er der Einzige zu sein, der diesen Anderen wahrnehmen konnte, und er allein war von allen Männern für würdig befunden worden, das oberste Kommando zu führen und sich zum Kriegsherrn der Neuen Wamphyri zu proklamieren. Ein Gespenst vermochte einen Mann nicht vom Thron zu stoßen.
Er verengte die Augen und starrte nach rechts und ein wenig dem Hintergrund zu (unauffällig, damit niemand es mitbekam), und tatsächlich erspähte er das Finstere Ding im schwarzen Kapuzenmantel auf Anhieb: Es stand nahebei und beobachtete interessiert das Treiben. Es war ein düsteres, böses Ding, unsichtbar, und niemand außer Shaithis bemerkte es. Es war die Kreatur, die die Eroberung Starsides ermöglicht hatte. Shaithis jedoch empfand keinerlei Dankbarkeit. Im Gegenteil – er schaute finster drein, denn plötzlich war ihm klar geworden, dass sein geheimer, gesichtsloser Verbündeter, sein unsichtbarer Vertrauter, hier in Wirklichkeit der Meister war und er selbst bloß eine Gallionsfigur. Das ärgerte ihn und ließ den Sieg bitter
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