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Todessaat

Titel: Todessaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arnout Smith
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war das?«
    »Im letzten Jahr im Sommersemester. Es war eine Einführungsvorlesung zum Thema Schweigende Stimmen . Danach belegten wir ebenfalls denselben Kurs über Russische Literatur , also verbrachten wir die Zeit zwischen den Kursen miteinander. Schließlich merkten wir, dass wir im selben Wohnheim untergebracht waren; nur ein paar Türen voneinander entfernt. Ich bin in einer traditionellen chinesischen Familie
in San Francisco aufgewachsen. Meine Eltern haben einen Lebensmittelladen in Chinatown. Meine Aufgabe war es zu lernen, keinen Freund zu haben und von morgens bis abends zu lernen, damit ich Medizin studieren kann.«
    »Ich war Ärztin.««
    Elaine sah sie höflich an.
    »Du willst gar nicht Medizin studieren, nicht wahr?«, fragte Grace vorsichtig.
    Elaine schüttelte den Kopf. »Ich habe keine andere Wahl.« Sie musterte die Pommes eingehend, nahm eine neue und wiederholte das Ritual: ein kleiner Klecks, ein zaghafter Biss, dann legte sie die Pommes weg.
    »Hat Tammy am Anfang deine Arbeitsmoral geteilt?«
    Elaine lächelte traurig. »Sie war quirlig. Meine quirlige Freundin. Sie ermutigte mich immer wieder zu einer Pause. Einen Spaziergang machen. Ein Abenteuer erleben. Seit ich sie kannte, fühlte ich mich, als würde ich aus meinem Käfig flüchten.«
    »Mit so einer Freundin wolltest du doch bestimmt auch dein Zimmer teilen.«
    »Meine Familie erlaubte mir das nicht. Sie dachten, dass Tammy einen schlechten Einfluss auf mich hätte. Als sie herausfanden, dass ich direkt gegenüber von ihr wohnte, wurden sie richtig wütend. Sie fühlten sich hintergangen.« Elaine nahm ihre Halskette in die Hand und spielte mit einem Medaillon. Sie zog es mehrmals nach links und rechts, sodass sich die Kette spannte, bevor sie den Anhänger wieder im Pullover verschwinden ließ.
    » Schweigende Stimmen . War es ein pantomimisches Seminar?««
    Elaine nahm einen kleinen Bissen vom Cheeseburger. »Nein, man könnte das Thema wohl am ehesten mit gerechtfertigter Wut beschreiben. Es gab einen Teil über Afroamerikaner und Asiaten, Frauen und amerikanische Ureinwohner.
Es ging darum, die Gräueltaten der dominierenden Kultur an diesen Gruppen anzuprangern und sich dagegen aufzulehnen.«
    »In einem Seminar, an dem vor allem weiße Kinder der Mittelklasse teilnahmen. Bartholomew muss begeistert gewesen sein, dich im Kurs zu haben.«
    »Es war unangenehm. Er forderte mich auf, über eine Diskriminierung zu sprechen, die ich nie erfahren hatte. Nach drei Wochen ließ er mich in Ruhe.«
    »Und schenkte Tammy seine Aufmerksamkeit.«
    »Es gab einige weiße Studenten, die ihn wie einen Gott verehrt haben. Er zog Tammy mit hinein. Die ganze Gehtauf-die-Barrikaden-Thematik lief parallel zu seinem Glauben, dass die Welt ökologisch in der Krise war, die durch dieselben weißen dominierenden Gruppen verursacht wurde, und unserer Pflicht, die wir in seinen Augen hatten, dagegen anzukämpfen. Er zählte die Tage bis zur Agrarkonferenz. Mittlerweile war Tammy fast ständig unterwegs. Sie verpasste die Vorlesungen, lebte Gott weiß wo, und als ich sie danach fragte, sagte sie einfach, ich solle mir keine Sorgen machen. Sie arbeite an etwas, das die Welt verändern würde.«.
    Elaine spielte wieder mit ihrer Kette.
    »Hast du jemals Nate, Professor Bartholomews Assistenten, getroffen?«
    Elaine verdrehte die Augen. »Er wollte sie immer dazu überreden, zur Orchesterprobe zu kommen, obwohl sie gar kein Instrument spielte.«
    »Was ist das für eine Kette?«
    »Wie bitte?« Ihre Hand griff fester zu.
    »Kann ich sie sehen?«
    Sie ließ den Anhänger unter ihr Sweatshirt fallen. Elaine hatte ein offenes Gesicht, ihre Gefühle spiegelten sich auf ihren Zügen: Beunruhigung, Panik, ein verzweifeltes Verlangen,
endlich etwas loszuwerden. Sie leckte sich über die Unterlippe.
    »Hat Tammy sie dir geschenkt?«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Eine Woche vor ihrem Tod klopfte sie eines Abends an meine Tür. Es war schon spät, und sie sah nervös und verängstigt aus, wollte mir aber nicht sagen, was los war, nur, dass sie geübt hatten. Genau das hatte sie gesagt. Geübt. Und dass sie schon bald das Gelernte anwenden müssten. Sie sprach fast so darüber, als würden sie in den Krieg ziehen.«
    Elaine seufzte. Eine Träne lief ihr über die Wange, und sie nahm die Brille ab, um sich die feuchten Augen zu trocknen.
    »Ich habe ihr gesagt, dass ich Angst um sie habe, und für einen Moment lang war da wieder die alte Tammy. Sie lachte

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