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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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wurden immer schlimmer.
    In dem Moment fuhr ein kleiner PKW auf die Mole. Er war dreckig und hatte nur noch drei Radkappen. Dóra glaubte nicht, dass es sich um den Vertreter des Auflösungsausschusses handelte, beobachtete den Wagen aber trotzdem genau. Als die Fahrertür aufgestoßen wurde, fiel eine Coladose heraus und wurde sofort vom Wind weggefegt. Sie rasselte über den Asphalt, als der Fahrer ausstieg: ein junger Mann im Anzug, der einen krassen Gegensatz zu dem schäbigen Auto bildete. Er knallte die Tür hinter sich zu und kam auf sie zu.
    »Bitte entschuldigen Sie, dass ich zu spät bin. Haben Sie lange gewartet?«, entschuldigte er sich und schaute sie dabei gar nicht an, sondern zog sofort einen Schlüsselbund aus seiner Manteltasche.
    »Nein, nein, kein Problem«, entgegnete Dóra mit automatischer Höflichkeit, die ihr von Kindesbeinen an eingeimpft worden war. Natürlich hätte sie sagen sollen, dass sie in den zwanzig Minuten, die sie schon auf der Mole herumstanden, fast erfroren wären. Aber es war besser, den Mann nicht gegen sich aufzubringen.
    »Sie sind also Fannar?«, fragte sie.
    Der junge Mann nickte.
    »Wow, das ist echt ein geiles Schiff. Ich wundere mich jedes Mal wieder, wie krass schick es ist.« Er umfasste das Geländer der Treppe, die seitlich auf die Yacht führte, schwang sich darauf und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. »Kommen Sie! Das muss man mit eigenen Augen gesehen haben.« Sein schwarzer Mantel wehte wie ein Umhang im Wind.
    Bella verzog auf ihre unnachahmliche Art das Gesicht – natürlich missfielen ihr diese gymnastischen Übungen. Dóra ließ sich hingegen nichts anmerken und folgte dem Mann. Sie tastete sich die Stufen hinauf und auf der anderen Seite hinunter aufs Deck. Das Wummern auf der Treppe gab zu erkennen, dass Bella ebenfalls an Bord kam. Das Deck war größer, als Dóra sich vorgestellt hatte. Es ging über zwei Ebenen mit dem Steuerhaus in der Mitte. Das obere Deck befand sich auf der Bugseite und das untere auf der Heckseite. Am Ende des Hecks war eine Luke, durch die man anscheinend direkt ins Wasser gelangen konnte. Darüber hinaus gab es noch zwei kleinere Decks weiter oben, von denen eines gerade groß genug für einen Whirlpool war. Die Fotos in den Zeitungen wurden der Luxuriösität des Schiffes kaum gerecht, und Dóra war völlig verblüfft, als sie es in Augenschein nahm. Es war wirklich ein phantastisches Gefährt, aber etwas an der glänzenden Oberfläche missfiel ihr. Wobei sie sich mit Yachten natürlich nicht auskannte, ebenso wenig wie ihre Bekannten, und nicht wusste, wie das Leben an Bord normalerweise ablief. Automatisch wanderten ihre Gedanken zu den Verschollenen. Vielleicht konnte sie sich deshalb nicht so für die Yacht begeistern wie Fannar – in diesem Leben gab es genug andere Dinge, die Dóra als geil und krass bezeichnen würde. Sie fand die Umgebung eher unheimlich: eine glänzendweiße Verpackung um Schmerz und Trauer. Wie in einem Operationssaal.
    »Die Polizei hat hier bestimmt schon alles durchgekämmt«, sagte sie, während sie sich umsah. Auf den ersten Blick waren keine Anzeichen einer Durchsuchung zu erkennen.
    »Ja, die Polizei, das Seeamt und einer unserer Mitarbeiter. Ich durfte ihn begleiten, daher weiß ich einigermaßen Bescheid.«
    Fannar versuchte, eine Tür aufzuschließen, die ins Steuerhaus und in den Passagierbereich führte.
    »Jedenfalls hat keiner einen blassen Schimmer, was zum Teufel hier passiert ist, und ich bezweifle, dass das jemals ans Licht kommen wird. Es sei denn, Sie finden etwas, das die anderen übersehen haben.«
    Er grinste, so als glaube er das nicht wirklich.
    »Kannten Sie Ægir?«, fragte Dóra, die sich dessen keineswegs sicher war. Der junge Mann gab sich so cool, dass sich die beiden bestimmt nicht nahegestanden hatten.
    »Ja, ja, wir haben natürlich zusammen gearbeitet, aber an unterschiedlichen Projekten. Ich kann eigentlich nicht sagen, dass ich ihn gut kannte. Aber gut genug, um die ganze Geschichte total seltsam zu finden. Er war nicht der Typ, von dem man so was gedacht hätte.« Fannar zog eine Grimasse. »Er war ein Familienmensch, Sie wissen schon. Ist selten mit uns einen trinken gegangen, sondern immer direkt nach Hause.«
    Dóra verkniff es sich, ihn darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, ein verantwortungsbewusster Familienvater zu sein, wenig damit zu tun hatte, ob man in ein Seeunglück verwickelt war, für das es keine Erklärung gab. Zudem fand sie es unangemessen,

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