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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Yacht.
    »Wissen Sie, wem die gehört?«
    Fannar schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung. Vielleicht hatte Karítas eine Lesebrille.«
    »Ist aber nicht gerade ihr Stil.«
    Dóra musterte die kleinen roten Bügel. Sie hängte das Kleid zurück an seinen Platz und ließ die Brille einfach daran hängen. Das konnte nicht wirklich wichtig sein. Menschen stürzten sich nicht massenweise über Bord, nur weil jemand seine Brille verloren hatte. Die hatte sich bestimmt schon lange, bevor die Familie an Bord gekommen war, dort verhakt. Dóra schloss den Schrank und sah sich weiter um.
    Wieder stieß sie auf eine leere Rotweinflasche, diesmal auf dem Boden neben dem Bett. Während der Fahrt war offenbar einiges getrunken worden. Ansonsten war alles völlig normal, zumindest die Dinge, die dem Ehepaar gehörten. Die Einrichtung war genauso protzig und teuer wie auf dem gesamten Schiff. Dasselbe dunkle, lackierte Holz, das im Schein der eingebauten Deckenlampen glänzte.
    Im angrenzenden Bad herrschte großes Chaos: Kosmetikartikel, Handtücher, Bademäntel und Seifen lagen durcheinander. Der Zusammenprall mit dem Kai war offenbar ziemlich heftig gewesen. Dóra warf nur einen kurzen Blick hinein und hielt es für unnötig, durch den Krempel zu waten, nur um die Badezimmereinrichtung und die Armaturen zu sehen. Die Kabine zeigte im Grunde nur, dass es dem Ehepaar an Bord gut ergangen war, zumindest am Anfang. Dóra hätte sich allerdings nicht für die Kabine einer Frau entschieden, die sie kannte, wenn auch nur vom Hörensagen. Das war irgendwie unangenehm, vor allem, weil die Kleiderschränke mit ihren Sachen vollhingen und auf dem hübschen Kosmetiktisch ein Kästchen stand, das nur ihr gehören konnte. Normale Leute wie Ægir und Lára reisten nicht mit einem unhandlichen, empfindlichen Schmuckkästchen. Als Dóra hineinschaute, entpuppte es sich jedoch als etwas anderes: Karítas hatte Bilder, Postkarten und andere Erinnerungsstücke von ihren Reisen darin gesammelt. Dóra schloss das Kästchen wieder. Die junge Ehefrau des Vorbesitzers hatte bestimmt nichts mit dem Fall zu tun, und auch wenn sie der Liebling der Klatschblätter war, hatte Dóra kein Interesse daran, in ihrem Privatleben herumzuschnüffeln. Dennoch starrte sie auf dem Weg aus der Kabine in den riesigen Spiegel, der einen Großteil der Wand bedeckte, und stellte sich vor, wie Karítas sich selbst darin bewundert hatte. Aber das war ungerecht. Dóra wusste nicht, was für ein Mensch sie war, und wollte ihr unvoreingenommen gegenübertreten, falls sie ihr mal über den Weg lief.
    Die Mädchen hatten in der kleinsten Kabine geschlafen, direkt neben ihren Eltern. Als Fannar die Tür öffnete, schlug ihnen ein starker Erdbeergeruch entgegen, so süß und klebrig, dass Dóra zurückwich.
    »Hier ist eine Shampooflasche ausgelaufen. Ich weiß ja nicht, wer so einen Geruch in den Haaren haben will, aber wahrscheinlich riecht es nicht mehr so intensiv, wenn man das Shampoo ausgespült hat«, sagte er.
    Die Mädchen hatten gemeinsam in einem kleineren Doppelbett geschlafen. Zwischen dem zerknäulten Bettzeug lagen zwei einsame Stoffkaninchen. Der Anblick machte Dóra traurig, denn die Stofftiere waren eine symbolische Mahnung an die beiden Mädchen. Das Ganze wirkte noch trauriger, da die Zwillinge offenbar ein Foto ihrer jüngeren Schwester an den Bettkopf geklebt hatten – ein Kind, das später einmal dankbar dafür wäre, dass es noch zu klein gewesen war, um mitzufahren. Dóra zog an einer Ecke des Fotos und sah, dass es mit Haftklebern befestigt war, was ihre Vermutung bestätigte. Der Vorbesitzer der Yacht war bestimmt nicht der Typ, der Haftkleber benutzte. Sie hob eine rosafarbene Socke mit Hello-Kitty-Motiv vom Boden auf und legte sie aufs Bett.
    »Mann, ist das deprimierend.«
    »Allerdings.« Fannar klang so, als meine er es ehrlich. »Hoffentlich werden sie lebend gefunden. Vielleicht treiben sie ja doch in einem Rettungsboot auf hoher See oder haben sich in ein anderes Land abgesetzt.«
    »Abgesetzt?« An die Möglichkeit hatte Dóra noch gar nicht gedacht. »Behauptet das jemand?«
    Fannar errötete leicht und schien zu bedauern, dass ihm das rausgerutscht war.
    »Nein, nicht direkt. Ich habe auf der Arbeit Gerüchte darüber gehört, aber das ist Quatsch. Jemand hat davon gefaselt, Ægir hätte Geld aus dem Auflösungsausschuss unterschlagen, um sich damit abzusetzen. Und jetzt würde er so tun, als sei er tot, während er irgendwo im Ausland ein Leben

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