Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
diesem Fall war das Glück nur von kurzer Dauer gewesen. Karítas hatte nach vier Jahren Ehe die Scheidung eingereicht.
Die Streitigkeiten hatten sich dann wieder gelegt, nachdem das Ehepaar auseinandergezogen war. Dóra vermutete, dass das geschrumpfte Vermögen maßgeblich dazu beigetragen hatte, denn es war einfach nichts mehr übrig, um Karítas auch nur einen Cent zu bezahlen. Gleichzeitig kursierten Gerüchte, Gulam habe beträchtliche Gelder vor den Gläubigern, unter anderem vor dem Auflösungsausschuss der isländischen Bank, verschwinden lassen. Karítas fand es vermutlich weniger schlimm, weiter mit ihm verheiratet zu sein, als wieder im Hotel zu arbeiten. Der Vorteil daran, dass Island so klein war, war zugleich auch der größte Nachteil: Es war bestimmt keine verlockende Vorstellung für Karítas, mit eingezogenem Schwanz nach Hause zurückzukehren, nachdem sie ein Star auf den Gesellschafsseiten der Illustrierten gewesen war. Die ursprüngliche Aussage der damaligen Untersuchungskommission, Karítas sei zur Kooperation bereit gewesen, entpuppte sich als unhaltbar, und als die Medien später nachhakten, bekamen sie kaum Antworten. Karítas war nach der Geschichte mit der Yacht nicht mehr zu erreichen und wie vom Erdboden verschwunden. Ein Sprecher ihres Mannes sagte, sie sei in Brasilien, um Ruhe vor den Medien zu haben, wobei ihre in Island ansässige Mutter das nicht bestätigt hatte.
»Matthias?«, sagte Dóra und schaute auf. Er war in seinen Laptop vertieft. »Wurde in deiner Bank zufällig mal über das Ehepaar, dem die Yacht gehörte, geredet? Ich weiß, dass dieser Gulam keine Geschäfte mit euch gemacht hat, aber vielleicht hast du ja irgendwas über ihn gehört.«
Matthias brauchte eine Weile, bis ihm klarwurde, worauf Dóra hinauswollte. Er machte zwar unglaubliche Fortschritte in Isländisch, brauchte aber immer einen Moment, um von seinen deutschen Gedanken auf die isländische Sprache umzuschalten.
»Doch, ich habe schon mal was über die beiden gehört. Allerdings nichts Vernünftiges. Die Frauen lästern über die Frau und die Männer über den Mann.«
»Und was sagen sie?«
»Nichts Besonderes. Er soll einiges an Geld verschwinden lassen haben, und angeblich will seine Frau nicht zurück nach Island, weil sie hier ihr Vermögen nicht mehr zur Schau stellen kann und sich unauffällig verhalten muss. Dann heißt es noch, sie hätte Angst, von der Finanzaufsichtsbehörde oder einem Sonderstaatsanwalt verhört zu werden. Ich weiß nicht, wie ernst man das nehmen soll. Sind vermutlich alles nur Spekulationen.«
Dóra überlegte.
»Ich sollte versuchen, mich mit ihren Eltern oder Geschwistern in Verbindung zu setzen. Vielleicht wissen die ja, wie ich Karítas erreichen kann. Sie weiß bestimmt einiges über die Yacht. Vielleicht gab es ein Problem, über das die Besatzung vor der Abfahrt nicht informiert war. Die Vorbesitzer haben das Schiff ziemlich lange nicht bewegt, bevor es konfisziert wurde. Vielleicht wegen eines Defekts.«
»Das hat bestimmt nur damit zu tun, dass es Millionen am Tag kostet, mit so einem Kahn durch die Gegend zu schippern. Sie mussten sparen, wie andere in der Krise auch.« Matthias gähnte. »Aber warum sollte sie überhaupt mit dir reden wollen?«
Dóra stellte ihren Computer weg.
»Wahrscheinlich will sie es nicht, aber man kann es ja mal versuchen.« Sie räkelte sich träge. »Was meinst du, ist der Kerl ein Verbrecher?«
»Welche Art von Verbrecher? Ein Gewaltverbrecher oder ein Finanzbetrüger?«
»Ich meinte eigentlich ein Gewaltverbrecher.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Wie kommst du darauf?«
»Es ist unglaublich vorteilhaft für ihn, dass Karítas gerade jetzt von der Bildfläche verschwindet. Sie ist auf dem Weg nach Island, um gegen ihn auszusagen, und dann verschwindet sie spurlos. Ich habe überlegt, ob sie nicht einfach tot ist. Ob sie ermordet worden sein könnte. Es ist ziemlich lange her, seit sie fotografiert oder interviewt wurde, und in den letzten Tagen hat die Presse es immer wieder probiert. Trotz ihrer momentanen finanziellen Situation sieht es ihr gar nicht ähnlich, sich vor den Medien zurückzuziehen. Vielleicht hängt das alles zusammen. Bei den Unterlagen, die ich vom Auflösungsausschuss bekommen habe, war ein Blatt mit ihrem Namen, einer ungültigen Telefonnummer und einer alten E-Mail-Adresse. Vielleicht wissen die etwas, was sie mir nicht sagen dürfen, und wollen mich dadurch auf die richtige Spur
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