Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Krämpfe anzukämpfen, die er plötzlich in seinem Magen spürte.
»Ich finde, er ist größer.« Arna reckte sich, um den Kopf ihrer Mutter besser sehen zu können. Lára stöhnte.
»Wisst ihr, was wir machen?« Ægir schlug sich auf die Schenkel und versuchte sich zum Aufstehen zu motivieren. »Wir gehen an Deck. Wisst ihr noch, was Þráinn gesagt hat? An der frischen Luft geht es einem besser, und die können wir jetzt gut gebrauchen. Anschließend legen wir uns hin, und wenn wir dann wieder aufwachen, sind wir topfit.«
Von Letzterem hatte der Kapitän zwar nicht gesprochen, aber Ægir war sich ziemlich sicher, dass es stimmte. Bei seinem Sportbootkurs war er überhaupt nicht auf so etwas vorbereitet worden. Er hatte den Lehrer nicht nach Seekrankheit fragen wollen, um seine Unerfahrenheit nicht zuzugeben. Was bescheuert war, da seine Mitschüler kaum mehr Erfahrung hatten. Alte Seebären machten keinen Sportbootführerschein.
»Lasst uns gehen«, sagte er.
Sie rappelten sich auf, und Ægir musste Lára auf die Beine helfen. Ihre Augen glänzten und flackerten, als falle es ihr schwer, scharf zu sehen.
»Ich glaube, ich sterbe«, murmelte sie in sein Ohr, als er sie in den Flur führte. »Gibt es keine Medikamente gegen diesen Mist?«
»Ich glaube, dafür ist es schon zu spät. Vielleicht, wenn wir sie nehmen, bevor wir uns hinlegen. Ich würde mich sofort übergeben, wenn ich jetzt was runterschlucken müsste.«
Ægir blieb an der Tür zum Deck stehen und löste den Riegel. Es hatte eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen, dass alle Außentüren von innen und außen auf diese Weise verschlossen waren, aber inzwischen rüttelte er nicht mehr an der Türklinke.
»Halli ist draußen«, sagte Ægir. Durch das Bullauge in der Tür sah er den Rücken des jungen Mannes, der sich an die Reling lehnte. Der Rauch, den er auspustete, schaffte es nur bis kurz über seinen Kopf, bevor er vom Wind weggefegt wurde. Was gut war, denn Ægir ahnte, dass Zigarettenrauch keinen guten Einfluss auf ihren angeschlagenen Zustand hätte. Er öffnete die Tür und hielt sie fest.
Halli drehte sich um und sah sie aufs Deck hinaustreten.
»Tag.«
Als sie aufgestanden waren, hatte er noch geschlafen, aber jetzt stand er da, das hellblonde, kurzgeschnittene Haar plattgedrückt und fettig und die Augen noch leicht geschwollen vom Schlaf.
Sie grüßten einander. Die Mädchen waren bei dem pfeifenden Wind und den krachenden Wellen kaum zu hören, und Láras Stimme klang rau und belegt. Nur Ægir sprach einigermaßen normal.
»Wir denken, dass es uns ein bisschen besser geht, wenn wir frische Seeluft einatmen«, sagte er.
»Passt auf. Es ist stürmisch.« Halli klemmte die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und flitschte die Kippe hinaus aufs Meer. »Das fegt einen glatt von Bord, vor allem kleine Kinder.«
Er musterte die Mädchen, die sich unter seinem Blick wanden. Ægir spürte, wie Bylgjas kleine Hand nach seiner Hand tastete und sie fest drückte.
»Ich passe schon auf sie auf«, sagte er und nahm Arna an die andere Hand. »Wie lange braucht man, um sich daran zu gewöhnen? Um diese Übelkeit zu überwinden?«
Halli zuckte mit den Achseln. In seinem Gesicht war keine Spur von Mitleid.
»Ich weiß nicht. Ich war nie seekrank.«
Ægir unterdrückte das Bedürfnis, den unfreundlichen Kerl anzufahren.
»Und hast du nie Leute gesehen, die es waren?«
»Doch, doch. Ich weiß nur nicht mehr, wie es genau entsteht. Ihr kommt mir allerdings ziemlich munter vor, falls ihr wirklich seekrank seid. Eigentlich müsstet ihr über der Reling hängen und euch die Seele aus dem Leib kotzen.«
»Bitte hör auf, das reicht«, zischte Lára durch zusammengepresste Lippen. Als Halli auf dem Weg nach drinnen an ihnen vorbeiging, musste sie würgen, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
»Atme tief ein, Liebling. Er ist weg, es liegt nur noch frischer Meeresgeruch in der Luft.« Ægir hielt seine Töchter immer noch fest an der Hand, obwohl sie gerne losgelassen hätten, nachdem Halli weg war. »Ich muss euch festhalten, ihr habt gehört, was er gesagt hat. Wir wollen doch nicht mitansehen, wie ihr ins Wasser fallt.«
Das Zerren der kleinen Finger in seinen Händen hörte sofort auf.
»Mit dem Kerl stimmt doch was nicht. Der scheint was gegen uns zu haben«, sagte Lára und atmete tief durch.
»Er ist nur schüchtern.« Ægir konzentrierte sich ebenfalls aufs Atmen, und es schien zu wirken. Die Übelkeit und das Pochen
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