Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
werde, das zu bestätigen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob wir den kennen.« Die beiden wechselten einen Blick, in der Hoffnung, dass der andere die Antwort wüsste.
»Macht nichts. Das Ärztezentrum in ihrem Stadtteil kann mir bestimmt Auskunft darüber geben. Wenden wir uns dem eigentlichen Vorfall zu. Wurde vor der Abreise nie darüber gesprochen, dass Ægir und seine Familie möglicherweise mit dem Schiff zurück nach Island fahren?«
Margeir schaute Dóra entrüstet an, doch als er das Wort ergriff, klang seine Stimme unverändert – ausdruckslos und resigniert:
»Mit keinem Wort. Das hätten sie uns natürlich erzählt. Wir haben ja auf ihre Tochter aufgepasst. Das war auf keinen Fall geplant.«
»Man denkt doch manchmal über etwas nach und ändert dann seine Meinung. Es hätte ja sein können, dass sie mit der Idee geliebäugelt und sie dann wieder fallenlassen haben. Aber gut, dass es nicht so ist. Das bekräftigt Ihre Aussage, dass Ægir mehr oder weniger gezwungen war, an Bord zu gehen«, sagte Dóra, obwohl sie immer noch Zweifel hegte. »Könnten sie darüber nachgedacht und vergessen haben, es Ihnen zu sagen?«
Die Frau zupfte mit ihren kurzen Fingernägeln an einem losen Faden an ihrem Blusenärmel. Ihre Hände waren voller Sehnen und ihre Finger gekrümmt. Vielleicht litt sie an Gicht.
»Das weiß ich natürlich nicht. Aber falls sie mit dem Schiff fahren wollten, haben sie das mir gegenüber nicht erwähnt. Mit keinem Wort«, sagte sie und blickte zu ihrem Mann.
»Mir gegenüber auch nicht«, sagte er bestimmt. »Darüber haben sie nie gesprochen. Obwohl es genug Gelegenheiten gegeben hätte.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und hielt Dóras Blick stand. Er schien doch stabiler zu sein, als er zunächst gewirkt hatte.
»Nun gut, machen Sie sich keine Gedanken darüber. Haben Ihr Sohn und Ihre Schwiegertochter Ihnen eine E-Mail oder eine Nachricht mit einer Bestätigung ihrer Reisepläne geschickt? Vielleicht mit Telefonnummern oder Informationen über die Hotels, in denen sie übernachten wollten, damit Sie sie im Notfall erreichen konnten?«
»Wir haben kein E-Mail. Aber Ægir hat uns eine Liste mit den Terminen und den Hotels gegeben, und mit ihren Handynummern. Sie waren sehr nervös, weil es das erste Mal war, dass sie Sigga Dögg alleine gelassen haben. Der Zettel hängt am Kühlschrank. Soll ich ihn holen?«
Dóra bejahte, und Sigríður erhob sich mühselig. Auf dem Weg in die Küche hielt sie sich die Hüfte. Dieser Anblick stimmte Dóra nicht gerade optimistisch, dass die beiden die Vormundschaft für ihr Enkelkind bekommen würden. Aber sie war froh, als sie den Zettel in der Hand hielt – er bestätigte den bisherigen Verlauf der Geschichte. Die Familie hatte zurück nach Hause fliegen wollen. Auf dem Zettel standen die Telefonnummern von zwei Hotels, in denen sie abgestiegen waren, eins in London und eins in Lissabon, sowie die Flugnummern mit Abflugs- und Ankunftszeiten.
»Haben sie sich zwischendurch mal gemeldet? Bevor sie in Lissabon losgefahren sind?«
»Ja, ja, sie haben natürlich oft angerufen. Beim letzten Mal haben sie uns gesagt, dass sie mit dem Schiff nach Hause fahren. Sie waren sogar schon an Bord und hatten gerade abgelegt. Ich habe mit beiden gesprochen. Mein Sohn hat mir erzählt, wie es dazu gekommen ist, wenn auch nicht im Detail. Sie wollten vor allem mit Sigga Dögg sprechen«, sagte Sigríður und nahm die Kleine auf den Arm. »Sie wollten noch mal anrufen, solange sie Empfang hatten, aber das haben sie dann nicht gemacht. Ich habe keine Ahnung, wie weit man draußen auf dem Meer Handyempfang hat.«
»Ich auch nicht.«
Dóra hatte gehofft, sie hätten während der Überfahrt noch öfter Kontakt mit Ægir und Lára gehabt, über Satellitentelefon oder Funk. Das hätte es leichter gemacht, die Zeit ihres Verschwindens einzugrenzen. Aber da ließ sich nichts machen – die Polizei wusste bestimmt, ob der Kapitän noch Kontakt mit dem Festland gehabt hatte. Dóra beobachtete, wie Sigga Dögg ihre Wange an die Brust ihrer Großmutter schmiegte. Nachdem sie sich zurechtgesetzt hatte, drehte sie ihren Kopf zu Dóra. Ihre großen, grauen Augen musterten sie neugierig. Vielleicht dachte sie, Dóra sei eine weitere Psychologin, die ihr Aufgaben vorlegen oder Fragen stellen wollte.
»Kann sie schon sprechen?«, fragte sie.
»Schon ganz schön viel. Aber sie ist viel stiller geworden seit … Sie wissen schon. Sie versteht mehr, als man denkt«,
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