Todesschlaf - Thriller
Angehörige.«
»Sollen wir uns aufteilen oder gemeinsam vorbeigehen?«, wollte er wissen und hielt sich in respektvoller Entfernung.
Timmie stürzte den Rest ihres Kaffees hinunter, hoffte auf eine plötzliche, wundersame Eingebung und seufzte. »Gemeinsam. Ich bin nicht in der Stimmung, um behutsame Gespräche zu führen.«
Er zog eine Augenbraue nach oben. »Heißt das, Sie möchten, dass ich fahre?«
»Da Bobby’s Garage immer noch damit beschäftigt ist, Sojabohnen aus meinem Getriebe zu pflücken, und ich keinen Lexus fahren will: Ja.«
Murphy sagte kein Wort. Er ging einfach in die Küche und kam mit einer Packung Paracetamol wieder. »Hier.«
Timmie versuchte ein Lachen zu unterdrücken. »Hören Sie auf.«
Sie nahm die Tabletten. Dann griff sie nach der Liste mit
den Namen der Angehörigen der Verstorbenen, die Barb ihr am Abend zuvor in die Hand gedrückt hatte, als wären es Geheimpläne für ein Atom-U-Boot, und ging zur Tür hinaus.
Auf der Liste standen zehn Namen. Timmie entschied, wen sie aufsuchten und Murphy stellte die Fragen. Harmlose, allgemeine Informationen über die Qualität der Pflege, die Vorzüge der Einrichtung, die Reaktion der Familienangehörigen auf den Beginn der Krankheit, den Verfall und den Tod des Patienten.
Bei den ersten drei Besuchen hielten sie sich strikt an diesen Schlachtplan und erfuhren rein gar nichts. Die Kinder und Ehepartner von Mr. DiSalvo, Mrs. Friedberger und Mrs. Rogers waren sehr betrübt, aber nicht überrascht über den Tod ihrer Lieben. Einige gestanden sogar eine gewisse Erleichterung angesichts dessen ein, was die Verstorbenen alles durchgemacht hatten. Sie lebten ihr Leben weiter und waren Restcrest, Dr. Raymond und dem Memorial Medical Center unendlich dankbar für alles, was sie für die jeweiligen Menschen getan hatten. Nicht ein Mal fiel der Name Joe Leary, weil Timmie sich als Ann Parker vorgestellt hatte, sodass die Gespräche ohne größere Störung verliefen. Sie förderten jedoch auch keine einzige überraschende Erkenntnis zu Tage.
Während sie die Stufen zur vierten Haustür emporhumpelte, bat Timmie Murphy, selbst einmal ein paar Fragen stellen zu dürfen. Sie fühlte sich nun etwas konzentrierter und damit auch ein wenig geduldiger.
Der Mann, mit dem sie sprechen wollten, war Mr. Charlie Cleveland, der Sohn von Wilhelm »Butch« Cleveland, der am Morgen des Tages von Billy Mayfields Einlieferung im Alter von achtundsiebzig Jahren an Herzversagen gestorben war. Mr. Cleveland wohnte in einem hübschen Viertel mit zweistöckigen Backsteinhäusern, alten Bäumen und
sorgfältig gestutzten Hecken. Viel Aufwand, wenig Fantasie. Butch hatte bei ihm und seiner Frau Betty gewohnt, bis er zwei Jahre vor seinem Tod in Restcrest aufgenommen worden war.
Während sie darauf warteten, dass Mr. Cleveland ihnen die Tür öffnete, überlegte Timmie, was der arme Mann wohl denken musste, wenn er die Tür aufmachte und zwei zerschundene und mit blauen Flecken übersäte Kreaturen ihn nach seinem Vater befragen wollten.
Doch das alles war nichts im Vergleich zu dem, was Timmie dachte, als der Mann nach dem zweiten Klingeln schließlich die Tür öffnete. Murphy sprach es zuerst aus.
»Oh, mein Gott.«
Mr. Cleveland stand einfach nur da, hatte die Zeitung mit festem Griff gepackt und markierte mit einem Finger die Seite, die er gerade gelesen hatte. An einer dünnen Halskette hing eine Lesebrille, und er trug ein sorgfältig gebügeltes Baumwollhemd und bequeme Baumwollhosen. Ein gut aussehender Mann mit würdevoll angegrauten Schläfen und gerötetem Gesicht.
Jetzt allerdings war seine Gesichtsfarbe eher blass, und die Augen hatte er weit aufgerissen. Leidgeprüft, musste Timmie unwillkürlich denken. Sie wusste, wie er sich fühlte.
»Mr. Cleveland«, sagte sie zu dem Mann, der bei der Pferdegala versucht hatte, Alex Raymond zu erschießen. »Dürfen wir mit Ihnen sprechen?«
17
Mit jeder Reaktion hatte Murphy gerechnet, nur nicht mit der, mit der sie nun konfrontiert wurden.
»Tja, das wird aber auch langsam Zeit«, sagte Mr. Cleveland.
Dann lachte er und schüttelte den Kopf. »Haben Sie das gehört? Ich muss mit einer Anklage wegen versuchten Mordes rechnen und sage: Es wird langsam Zeit. Nun, das stimmt ja auch. Seit zwei Wochen sitze ich in meinem Wohnzimmer und warte auf das Klingeln.«
Er sah nett aus. Nett . Murphy hätte nicht gedacht, dass er dieses Wort jemals mit diesem Kerl mit der Pistole in Zusammenhang bringen würde. Doch
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