Todesschlaf - Thriller
da bemerkte Murphy die Tränen in seinen Augen. Der Mann brachte einfach keine Antwort zustande. Er schüttelte nur den Kopf und Murphy ging allein zur Haustür.
Um fünf Uhr rief Murphy bei Timmie an, aber sie war gerade beim Zusammennageln eines bei einem Motorradunfall gebrochenen Oberschenkelknochens behilflich. Also sagte sie der Pflegehelferin, sie solle Murphy ausrichten, sie würde zurückrufen. Aber sie schaffte es nicht mehr.
Um sechs hatten sie insgesamt sieben verletzte Gliedmaßen, ein paar schmerzende Rücken und eine Schusswunde im Unterschenkel zu versorgen, und um sieben arbeitete sie eine Highschool-Leichtathletikmannschaft ab, deren Bus
durch die Schaufensterscheibe eines Supermarktes gerast war, wo eine Horde von Senioren gerade ihre Vorräte an Toilettenpapier, Brot und Milch auffrischen wollte, um heil durch den Eissturm zu kommen.
»Wie machst du das bloß«, sagte Ron, während sie Betten hin und her schob und Ärzte verteilte.
Timmie machte sich nicht einmal die Mühe aufzuschauen. Einer der Leichtathleten hatte eine Kopfverletzung. Einer der Senioren war bereits gestorben und dreißig andere mussten noch untersucht werden. »Erfahrung«, sagte sie. »Triage ist auch nicht schwieriger als Flugverkehrskontrolle.«
»Aber Flugzeuge schreien nicht gleich los, wenn sie warten müssen.«
»Weil die Piloten kapiert haben, dass der zuerst landen darf, der am wenigsten Sprit hat.«
»Aber warum lässt du dich dann in diese ganze Sache in Restcrest reinziehen?«
Timmie blieb mitten auf dem Flur wie angewurzelt stehen. »Was willst du denn damit sagen?«
Ron zuckte mit den Schultern und reichte ihr drei weitere Krankenblätter. »Diese GOMER haben nicht nur Spritmangel. Sie haben überhaupt keinen Sprit mehr. Wäre es nicht gnädiger, sie einfach sterben zu lassen?«
Das war kein Gespräch, was man inmitten einer kleineren Katastrophe führen konnte. Timmie setzte drei weitere Schüler in das Wartezimmer und stellte sich ein paar hysterischen Eltern auf der Suche nach ihrem Sohn in den Weg.
»Weißt du, warum diese alten Leute ermordet werden?«, wandte sie sich dann an Ron.
»Um sie von ihrem Leiden zu erlösen.«
»Sicher?«
Er sammelte seine Papiere ein. Als er ihr schließlich antwortete, konnte er ihr aus irgendeinem Grund nicht in die Augen schauen. »Nein.«
»Und genau deshalb muss es aufhören. Selbst in Ländern, wo Todkranke unter bestimmten Bedingungen auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichten können, geht das, soweit ich weiß, nur, wenn der Patient selbst ausdrücklich darum bittet. Und diese armen Alten haben nicht darum gebeten.«
Er wollte sie immer noch nicht anschauen. »Da gibt es aber auch Leute, die das anders sehen. Besonders, wenn die Existenz des Krankenhauses auf dem Spiel stehen könnte.«
Was wohl bedeutete, dass Timmies Probleme garantiert nicht zu Ende waren, wenn sie die Antworten auf all ihre Fragen beisammenhatte. Welch angenehmer Gedanke. Als sie noch in L.A. gearbeitet hatte, da war sie auch ständig in Alarmbereitschaft gewesen, aber noch nie hatte sie darauf Acht geben müssen, ob einer ihrer Kollegen ihr vielleicht einen Dolch in den Rücken rammte.
»Daran hättet ihr vielleicht alle denken müssen, als das Ganze noch überschaubar gewesen ist«, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Gegen neun Uhr war der Lärm ohrenbetäubend geworden, und Timmie verabreichte gerade einem Kleinkind Brechmittel, das Antibabypillen mit Pfefferminzbonbons verwechselt hatte.
»Timmie Leary, Dr. Jones auf Leitung eins. Timmie Leary …«
Timmie reichte der verängstigten Mutter den Spuckkübel und lief zur Tür.
»Hallo?«
» Cara mia , das klingt ja wie im Irrenhaus bei euch. Lass mich dich aus dieser Welt entführen und eine glückliche Frau aus dir machen.«
Timmie zog die Handschuhe ab und blickte sich um, wer alles in Hörweite war. Niemand außer Mattie, und die war gerade dabei, einem Hausarzt zu erläutern, wie es seinem
sechsundvierzig Jahre alten Patienten gelungen war, mit der Zunge an einem Laternenmasten festzufrieren.
»Conrad, mi amore «, gurrte sie in den Hörer. »Wenn du mir sagst, was ich hören will, dann machst du mich damit mehr als glücklich.«
»Was sollte mich daran hindern?«, sagte er. »Du hast mir Gold gegeben, wozu brauche ich dann noch die Alchemie?«
Timmie stockte der Atem. »Ich hatte also Recht?«
»Es sei denn, du bewahrst das Digitoxin immer in einem Lasix-Fläschchen auf. Dieses arme
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