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Todesschlaf - Thriller

Titel: Todesschlaf - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer Leo Strohm
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Der Priester war schon hier. Er stand direkt hinter ihrem Vater. Seinen Gesichtsausdruck hätte man beinahe als komisch bezeichnen können, hätte da nicht dieser halbnackte Mittsiebziger im Foyer seiner
Kirche gestanden und obszöne Lieder zum Besten gegeben. Das gab ihr den Rest.Timmie brach in schallendes Gelächter aus und ihr Vater fing, hocherfreut, ebenfalls an zu lachen. Der Priester hingegen zeigte keinerlei Anzeichen von Erheiterung.
    »Sollen wir ihn uns schnappen?«, wollte der Polizist wissen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme schon klar.«
    Kein einziger der in der Kirche Anwesenden hätte länger als drei Minuten gegen ihren Vater durchgehalten, wenn dieser ernsthaft verärgert gewesen wäre. Neben dem Priester standen etliche weitere Polizeibeamte in Regenmänteln, dazu noch eine empört dreinblickende ältere Dame und dieser Journalist. Ausgerechnet.
    »Was machen Sie denn hier?«, sagte Timmie in forderndem Ton, als die übrigen Mitglieder der SSS zusammen mit Alex hinter ihr zur Tür hereinstürmten, bis in dem winzigen Foyer fast hundert Prozent Luftfeuchtigkeit herrschten, und das Tropfwasser Pfützen auf dem schwarz-weiß gemusterten Marmorboden bildete.
    Mr. Murphy, dessen zerschlissener englischer Regenmantel ebenfalls triefte, bedachte Timmie mit einem sphinxhaften Lächeln und zeigte auf sein Notizbuch. » Sie haben doch gesagt, Ihr Vater sei ein Original.«
    »River-r-r-u-n-n …«, setzte die sonore Stimme ein, die jedem Theaterschauspieler zur Ehre gereicht hätte.
    »Oh Gott, das reicht.« Timmie stöhnte. »Wenn er jetzt noch mit Finnegan’s Wake anfängt, dann stehen wir bis Ostern hier herum. Daddy?«
    Er nahm sie nicht einmal wahr, fuhr mit seiner Rezitation fort und schlug damit alle im Kirchenfoyer Anwesenden in seinen Bann. Triefnass stand er da, die weißen Haare zu einer wilden Mähne zerzaust, die starken Arme so weit ausgebreitet, dass er fast das ganze Fenster verdeckte, die Stimme
so majestätisch, dass er damit eine Kathedrale hätte füllen können. So hätte Brian Boru, der erste und letzte irische Hochkönig, ausgesehen, wenn er so alt geworden wäre, dachte Timmie. Cuchulain, Niall of the Nine Hostages und andere irische Sagengestalten. Vielleicht, so dachte sie, waren alle diese irischen Helden deshalb so jung gestorben, damit sie sich niemals wehmütig nach ihrer eigenen, längst legendär gewordenen Faszination zurücksehnen mussten.
    »Dad, ich bin’s, Timmie. Na komm, mein Süßer, es wird Zeit, nach Hause zu gehen.«
    »… to bend of day brings us commodious vicus of recirculation …«
    Sie streckte die Hand nach oben und legte sie auf seine spärlichen, weißen Bartstoppeln. Lächelte, so gut sie lächeln konnte. »Hallo, Finnegan. Die Totenwache ist vorbei.«
    Endlich nahm er sie wahr, und sofort ergriff Verzweiflung von ihm Besitz. »Kathleen«, flüsterte er und legte ihr seine großen Hände auf die Wangen. »Oh, Kathleen, es tut mir leid. Das wollte ich nicht.«
    Timmies Lächeln erstarb. »Dad, ich bin’s. Timmie.«
    »Ich war doch bloß mit den Jungs unterwegs, verstehst du? Wir haben die Finalserie gefeiert.War das nicht eine fantastische Finalserie? Wir haben gewonnen, mein Mädchen. Das muss doch gefeiert werden, oder etwa nicht?«
    Timmie zog ihre Hände zurück. Rammte sie in ihre Hosentaschen. Bot alle Kraft auf, um Haltung zu bewahren. »Aber sicher, Joe, aber sicher. Und jetzt komm mit nach Hause.«
    Jetzt fing er an zu weinen, mit großen, feuchten Tränen und zuckenden Schultern. »Sag, dass du mir verzeihst, Kathleen.«
    Timmie nahm den vertrauten Weihrauchgeruch wahr, roch das Bienenwachs, mit dem die Küster die Holzbänke pflegten, die Feuchtigkeit der Wolle, und fühlte sich plötzlich
eingeengt, klaustrophobisch - ein Gefühl, das sie sonst eigentlich nicht kannte.
    »Ich verzeihe dir, Joe. Aber jetzt machen sie hier zu und wir müssen nach Hause.«
    Es war totenstill in der Kirche. Timmie schaffte es nicht, sich umzusehen. Sie durfte ihren Vater keinen Augenblick lang aus den Augen lassen, sonst brach der Kontakt ab. Sie konnte das Mitleid in den Blicken der Menschen um sie herum nicht ertragen.
    »Soll ich Sie nach Hause fahren?«, sagte der junge Polizist hinter ihr.
    »Nein.« Es war das erste Mal, dass Alex sich zu Wort meldete. »Er muss ins Krankenhaus. In seinem Alter sollte man sich so nicht mehr nach draußen wagen.«
    »Er kann nicht«, sagte Timmie, ohne den Blick von ihrem Vater zu nehmen. »Es bringt ihn nur

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