Todesschrei
eine Lüge gewesen. Eine Falle. Sie rief hastig im Pflegeheim an, wobei sie sich bewusst war, dass Theo sie keinen Moment aus den Augen ließ. »Hallo, Sophie Johannsen hier. Ich habe gerade einen Anruf bekommen und wollte mir nur bestätigen lassen -« »Sophie? Hier spricht Linda.« Eine Schwester. Sophie hatte Zweifel, dass Vartanian zwei Schwestern zum Lügen bewegen konnte. »Hat Fran Sie nicht erreicht? Fahren Sie bitte sofort ins Krankenhaus.«
»Danke.« Sophie war plötzlich schlecht. Sie drückte das Gespräch weg. »Ich muss ins Krankenhaus.« »Ich fahre dich«, sagte Theo.
»Nein, schon okay. Ich fahre mit Officer Lyons.« Sie sah sich um, und die Panik, die sie ergriffen hatte, wuchs mit jeder Sekunde. »Wo ist der überhaupt?« »Warum hast du eigentlich ständig Cops in deiner Nähe?«, fragte Theo, während sie, so schnell es ihre Arme und Beine, die noch in der Rüstung steckten, erlaubten, auf die Tür zur Eingangshalle zulief. Er kam ihr nach. »Später. Wo ist Lyons? Verdammt!« Sie hielt an der Tür an und sah hinaus. Es war dunkel. Die Minuten verstrichen, und Anna lag im Sterben. Sie war bei Elle zu spät gekommen. Sie würde nicht zulassen, dass Anna die letzten Minuten ihres Lebens allein war. Sie rupfte an dem Klettband, das die Beinschienen zusammenhielt. »Hilf mir bitte. Ich muss das hier abmachen.«
Theo hockte sich vor sie und löste die Schienen. Er packte ihren Fuß. »Heb hoch.«
Sie gehorchte und stützte sich am kalten Fenster ab, während er ihr den Stiefel auszog. Sie kniff die Augen zusammen, sah wieder nach draußen und entdeckte einen Polizisten, das Gesicht halb abgewandt. Rote Zigarettenglut leuchtete ein paar Zentimeter von seinem Mund entfernt. Das war nicht Lyons. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Nach fünf. Schichtwechsel. Theo zog ihr den anderen Schuh aus, und sie rannte mit einem raschen Winken los. »Dank dir, Theo. Ich melde mich.« »Sophie, warte doch. Du hast keine Schuhe an.«
»Macht nichts. Keine Zeit mehr.«
»Ich hol' sie dir«, rief er. »Es dauert bloß eine Sekunde. Warte.«
Aber sie konnte nicht warten. Sie rannte auf den fremden Officer zu und ignorierte den Schock des eiskalten Pflasters unter ihren Füßen. Im Krankenhaus würde man ihr schon Pantoffeln geben. »Officer, ich muss sofort zum Krankenhaus.
Sofort!«
Schon lief sie auf den Streifenwagen zu, der am Gehweg geparkt war. Seine Schritte erklangen hinter ihr.
»Dr. Johannsen, stopp! Ich habe Befehl, mit Ihnen hier zu warten, bis die Detectives kommen.« »Ich kann nicht warten. Ich muss ins Krankenhaus.« »Also gut.« Er holte auf und nahm ihren Arm. »Langsam, oder Sie rutschen noch aus. Sie können nichts für Ihre Großmutter tun, wenn Sie stürzen und sich verletzen.« Sie wollte protestieren, ihm sagen, sie müssten sich beeilen, und erstarrte. Sie hatte nichts von Anna gesagt.
Simon!
Mit einem Ruck machte sie sich los.
Nein!
Sie hatte zwei Schritte geschafft, als sein Arm sich um ihren Hals schlang und ihr ein Tuch auf Mund und Nase gepresst wurde. Sie wehrte sich wie ein wildes Tier, aber er war groß und kräftig, viel zu kräftig. »Nein!« Aber der Schrei wurde durch das Tuch gedämpft, und schon begann ihre Sicht zu verschwimmen.
Wehr dich. Schrei.
Aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Ihr Schrei war schrill und laut, doch nur in ihrem Kopf. Niemand konnte ihn hören.
Er schleifte sie mit sich. Sie versuchte, den Kopf zu wenden, um zu sehen, wohin er sie brachte, aber es ging nicht. Sie hörte eine Tür aufgleiten, und plötzlich spürte sie einen Schmerz im Rückgrat. Sie konnte fühlen, doch sie konnte nicht mehr bewegen als ihre Augen. Hilflos lag sie auf dem Rücken und sah durch die Seitentür eines Vans. Alles war verschwommen, doch sie kämpfte dagegen an und erkannte Theo, der hinter Simon auftauchte. Ihre Schuhe. Theo hielt ihre Schuhe in der Hand. Ihre Augenbewegung musste Simon gewarnt haben, denn Theo Albright wurde mit einem einzigen Fausthieb niedergestreckt.
Und dann fuhren sie. Der Van hüpfte, als er etwas überfuhr, dann stob er mit quietschenden Reifen davon.
Vito,
dachte sie, und kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an, die sie unaufhörlich ins Dunkle ziehen wollte.
Verzeih mir.
Und dann war da nichts mehr.
24. Kapitel
Samstag, 20. Januar, 17.30 Uhr
Stacy Savard starrte sie trotzig an. »Ich rede nicht mit ihm. Sie können mich nicht zwingen. Ich will nicht so enden.« Sie stieß die Fotos von sich. »Nie und nimmer. Sie müssen mich
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