Todesschrei
drüber.
Das konnte er doch wohl versuchen.
Schweigend beobachtete er, wie sie ihre Arbeit erledigte. Schließlich richtete sie sich auf und klopfte die Hände an der Jeans ab. »Fertig.«
Seine Hände kribbelten in dem Wunsch, sie zu berühren, daher behielt er sie in den Taschen und half ihr nicht in die Jacke. »Holen wir Ihr Rad.«
Sie zog leicht die Brauen hoch, vermutlich spürte sie die leichte Veränderung in seiner Stimmung. »Es steht hinter dem Gebäude.«
Sonntag, 14. Januar, 23.55 Uhr
Sophie warf Vito Ciccotelli einen verstohlenen Blick zu, als sie das Gebäude abschloss und ihm den Weg zum Parkplatz zeigte. Er hatte sie die ganze Zeit so eindringlich beobachtet, dass sie vor Nervosität für die Reinigung der Geräte doppelt so lange wie üblich gebraucht hatte. Er hatte sie angesehen wie eine große Katze ihre Beute -eindringlich, aber auf der Hut. Sie fragte sich, warum. Warum er auf der Hut war. Warum sie seine Beute war, wusste sie. Sie kannte diesen männlichen Blick. Wenn Männer sie so ansahen, wollten sie Sex.
Manchmal bekamen sie, was sie wollten. Aber nur, wenn sie es auch so haben wollte.
Was nicht besonders oft und in letzter Zeit eher selten vorkam. Die vergangenen sechs Monate hatte sie entweder gearbeitet oder bei Anna gesessen, und davor ... Nun, es war schwer, auf Reisen jemanden zu finden, und wenn sie an einer Ausgrabungsstelle arbeitete, wollte sie keine Affären. Mit einem Mitarbeiter ins Bett zu gehen war beruflicher Selbstmord. Sie musste es wissen. Sie hatte nur einen dummen, idiotischen Fehler gemacht, und noch Jahre danach gab es Gerede.
Leicht rumzukriegen, die hat's nötig... verzweifelt.
Die vergangenen Jahre hatte sie sich ausschließlich auf ihre Karriere konzentriert und sich bemüht, mit so wenig Sex wie möglich auszukommen. Aber sie war auch nur ein Mensch. Also musste sie sich Männer suchen, die nicht in Kontakt mit ihren Kollegen kamen, und das war alles andere als leicht.
Sie verfluchte diesen einen Augenblick, in dem sie die Lügengeschichten des Mannes geglaubt hatte, dem sie vertraut hatte, aber sie wusste natürlich, dass nicht alle Männer wie Ratten waren. Ihr Onkel Harry war das Paradebeispiel eines freundlichen, aufrichtigen Mannes. Etwas in ihr wollte glauben, dass Vito Ciccotelli auch in diese Kategorie gehörte. Er hatte anscheinend ein Herz für andere Menschen, ob tot oder lebendig. Das gefiel ihr.
Sie schob den Schlüssel in die Tasche und schaute zu ihm auf. Er starrte geradeaus in die dunkle Nacht, war offenbar mit seinen Gedanken ganz woanders.
Einsam,
dachte sie. Er sah plötzlich sehr, sehr einsam aus. Zwei einsame Menschen konnten gemeinsam einen Weg finden, an diesem Zustand etwas zu ändern. Wenigstens für eine Weile. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie. »Sie wirken so ... grimmig.«
»Tut mir leid. Ich habe gerade an etwas gedacht.« Er sah sich um. »Packen wir Ihr Rad in meinen Truck, und ich fahre Sie nach Hause.«
Sophie zog amüsiert die Brauen hoch. »Mein Bike in Ihren Truck? Vergessen Sie's.« Sie setzte sich in Bewegung, und er folgte mit einem hörbar frustrierten Schnaufen. Sie hielt neben ihrem Motorrad an und sah im Licht der Laterne seine Überraschung. »Die gehört Ihnen?« »Ganz genau.« Sie löste den Helm vom Sattel. »Wieso?« Seine düstere Stimmung hatte sich aufgelöst, und an ihre Stelle war eine gewisse Aufregung getreten, als er um ihr Bike herumspazierte. »Als Katherine von Ihrem Bike sprach, bin ich von einem Fahrrad ausgegangen. Keine Ahnung, wieso. Die hier ...« Er ließ seine Hand bewundernd über die Maschine gleiten. »Die ist aber wirklich schön.« »Fahren Sie auch?« »Ja. Harley Buell.«
Schnell und wendig. »Ooo. Eine Rennmaschine.« Er schaute auf und grinste. »Macht meine Mutter wahnsinnig.«
Seine Freude war ansteckend, also erwiderte sie das Grinsen. »Böser Junge.«
Er wanderte ein zweites Mal um das Motorrad herum und blieb am Vorderrad stehen. Klischeedenken. Anders konnte er sich nicht erklären, worum er sie im Geist automatisch auf ein Fahrrad gesetzt hatte. »So eine BMW habe ich noch nie gesehen.«
»Fast schon ein Oldtimer. Von 1974. Ich habe sie in Europa gekauft. Von null auf hundert unter zehn Sekunden.« Sie lachte. »Das gibt Tempo.«
Er wurde plötzlich ernst. »Na ja, ich bin Cop, Sophie. Sie sind doch keine Raserin, oder?«
Ihr Grinsen verblasste. Sie war nicht sicher, ob er es ernst meinte, beschloss aber, auf Nummer sicher zu gehen. »Oh, ich meinte
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