Todesschrei
ihr hoch, aber sie würgte sie zurück. Sie wusste genau, wer ihr das geschickt hatte und warum, denn vor zehn Jahren hatte sie ebenso eine Maus bekommen.
Von Alan Brewsters Frau. Amanda Brewster mochte es nicht, wenn andere Frauen mit ihrem Mann schliefen, und sie machte da auch keine Ausnahme, wenn die betreffende Frau von ihrem Mann dazu mit Lügen verführt worden war. Clint Shafer hatte anscheinend keine Zeit verloren und Amanda angerufen, nachdem sie mit ihm gesprochen hatte.
Ich sollte die Polizei rufen.
Aber sie würde es dieses Mal genauso wenig tun wie beim letzten Mal, weil sie tief in ihrem Inneren überzeugt war, dass Amanda Brewster ein Recht auf ihre Wut hatte. Also sammelte sie die Maus auf und schloss die Schachtel wieder. Einen Moment lang überlegte sie, das Ding in den Müll zu werfen, aber dann besann sie sich. Sie würde sie später begraben.
Dienstag, 16. Januar, 9.15 Uhr
Daniel Vartanian hatte die Seiten mit den Hotels aus dem Telefonbuch gerissen, das er in der Nachttischschublade seines Zimmers gefunden hatte. Bewaffnet mit dem Bild seiner Eltern, wollte er zunächst die Hotelketten abklappern, in denen seine Eltern normalerweise unterkamen. Er band gerade seine Krawatte, als das Telefon klingelte. Es war Susannah. »Hallo.«
»Der Anruf kam aus Atlanta«, sagte Susannah ohne Einleitung oder Gruß. »Von einem Handy, auf Mom registriert.« Das hätte ihn beruhigen sollen. »Also hat Mom Grandma von ihrem eigenen Handy aus angerufen, um ihr zu sagen, dass sie dich besuchen wollten. Hast du herausgefunden, von wo genau der Anruf kam?«
Susannah war einen Moment lang still. »Nein, aber ich werde es versuchen. Bis dann.«
Er zögerte, dann seufzte er. »Susie ... es tut mir leid.«
Er hörte Susannah beherrscht ausatmen. »Das glaube ich dir, Daniel. Aber damit kommst du elf Jahre zu spät. Halt mich auf dem Laufenden.«
Sie hatte zweifellos recht. Er hatte so viele Fehler begangen. Er widmete sich wieder seiner Krawatte, doch seine Hände wollten ihm nicht recht gehorchen. Vielleicht konnte er es dieses Mal richtig machen.
Dienstag, 16. Januar, 9.30 Uhr
Dr. Alan Brewsters Büro war ein Mini-Museum, fand Vito, als Brewsters Assistentin ihn hineinführte. Brewsters Assistentin dagegen ... nun, an ihr war nichts mini. Sie war groß, blond und hatte Barbie-Proportionen, und Vito musste sofort an Sophie denken. Offensichtlich umgab Brewster sich gern mit großen, blonden Schönheiten. Die diesjährige Ausführung hieß Stephanie und verströmte Sex aus jeder Pore. »Alan kommt gleich. Sie sollen es sich bequem machen.« Sie lächelte ihm wissend zu, als wollte sie ihn einladen, die Bitte sehr wörtlich zu nehmen. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Tee?« Ein amüsiertes, selbstsicheres Funkeln in ihren Augen fügte ein stummes
»Mich?«
hinzu.
Vito blieb auf Abstand. »Nein danke.«
»Nun, wenn Sie Ihre Meinung ändern - ich bin draußen.«
Beinahe allein musterte Vito die verhaltene Opulenz des Arbeitszimmers. Der glänzende Mahagonischreibtisch war mindestens einen Hektar groß, penibel aufgeräumt und mit einem einzelnen gerahmten Foto von einer Frau und zwei Jungen im Teenageralter geschmückt. Mrs. Brewster und die Kinder.
An einer Wand standen Regale mit Mitbringseln und Andenken aus aller Welt. Eine andere Wand zierten Fotos. Bei näherem Hinsehen entdeckte Vito, dass beinahe jedes Bild denselben Mann zeigte.
Dr. Brewster, nehme ich an.
Die Bilder umfassten eine Zeitspanne von gut zwanzig Jahren, aber Brewster wirkte stets braungebrannt, fit und weltgewandt.
Viele der Fotos waren auf Ausgrabungsstätten gemacht und mit Ort und Zeit versehen worden. Russland, Wales in England. Auf jedem Bild stand Brewster neben einem großen, blonden, schönen Mädchen. Dann blieb Vito bei einem Foto mit der Unterschrift »Frankreich« stehen, denn die schöne Blonde war Sophie. Zehn Jahre jünger, aber unverkennbar in ihrer Tarnjacke und dem roten Tuch um den Kopf. Ihr Lächeln verriet mehr als Freude an der Arbeit.
Verliebt.
Und Brewster war schon damals verheiratet gewesen. Vito fragte sich, ob sie es gewusst hatte, verwarf den Zweifel aber sofort. Natürlich hatte sie es nicht gewusst, und nun verstand er endlich ihre Worte vom Tag zuvor. Ein leises Geräusch hinter ihm ließ ihn aufsehen, und in der Spiegelung der Glasrahmen entdeckte er Brewster, der hinter ihm stand und ihn schweigend beobachtete. Vito sah noch einen Moment auf das Frankreich-Foto, dann widmete er sich
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