Todesschrei
machen, Amanda. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir eher den Kopf über die neue blonde Assistentin Ihres Mannes zerbrechen.«
»Wenn Sie ich wären, hätten Sie Alan«, erwiderte Amanda, und Sophie verdrehte die Augen. »Wissen Sie was? Sie brauchen professionelle Hilfe.« »Nein, meine Liebe«, presste Amanda zwischen den Zähnen hervor. »Es reicht schon, wenn all die kleinen Huren dieser Welt meinen Mann in Ruhe lassen. Schon damals, als ich Sie ertappt habe -«
»Sie haben mich nicht ertappt«, unterbrach Sophie sie. »Ich bin zu Ihnen gekommen.« Was ein ebenso dummer Fehler gewesen war, wie Alan Brewster zu glauben, er würde sie wirklich lieben. Naiv wie sie gewesen war, hatte sie gedacht, dass die betrogene Ehefrau wissen sollte, mit was für einem Menschen sie verheiratet war, aber Amanda Brewster hatte ihr damals nicht zuhören wollen und würde es heute genauso wenig tun.
»Schon Vorjahren habe ich Ihnen versprochen, dass ich Sie fertigmachen werde«, fuhr Amanda unbeirrt fort. Dabei hatte Amanda gar nichts tun müssen, um sie fertigzumachen. Die Situation allein hatte dafür gesorgt, dass Sophie sich neu hatte orientieren und ihre vielversprechende Karriere in eine andere Richtung hatte lenken müssen. Von der Kränkung und der Demütigung ganz zu schweigen. Und nun wollten Amanda Brewster und ihr widerlicher Mann noch einmal von neuem beginnen. Was sie wirklich wütend machte. Sie nahm das Spielzeug, das Vito ihr geschenkt hatte, in die Hand und wünschte sich, sie hätte es durchs Telefon benutzen und den ganzen, verteufelten Vorfall aus der Erinnerung aller löschen können. Aber natürlich würde das nicht geschehen, und es war an der Zeit, dass sie sich ein für alle Mal damit auseinandersetzte. Vor zehn Jahren war sie davongelaufen, weil sie sich geschämt hatte und aus Angst vor dem, was Amanda Brewster ihrer beruflichen Zukunft antun würde. Sie schämte sich noch immer, aber fortlaufen würde sie nun nicht mehr.
»Holen Sie sich Hilfe, Amanda. Ich habe keine Angst mehr vor Ihnen.«
»Das sollten Sie aber. Sehen Sie sich doch an«, höhnte die andere. »Sie arbeiten in einem drittklassigen Museum, und das für einen Vollidioten. Sie haben Ihre Karriere in die Gosse geworfen.« Sie lachte, und es klang nicht nur ein wenig hysterisch. »Wenn ich mit Ihnen fertig bin, graben Sie höchstens noch Abflussrohre aus.«
Diese Drohung entlockte Sophie ein überraschtes Glucksen. Das mit den Abflussrohren hatte Amanda vor zehn Jahren schon gesagt. Wortwörtlich. Und mit zweiundzwanzig hatte Sophie ihr geglaubt. Jetzt, mit zweiunddreißig, erkannte sie die Drohung als leeres Gewäsch einer gestörten Frau. Amanda Brewster verdiente ihr Mitleid. Und wenn Sophie sich noch zehn weitere Jahre Zeit ließ, konnte sie es vielleicht sogar empfinden.
»Sie glauben mir ja ohnehin nichts von dem, was ich Ihnen zu Alan sagen könnte. Aber eins dürfen Sie mir getrost glauben. Wenn Sie mir noch ein Paket wie das von heute Morgen schicken, dann rufe ich die Polizei.« Sie legte auf und sah sich in ihrer fensterlosen Bürokammer um. In einem Punkt hatte Amanda Brewster recht gehabt. Sie arbeitete tatsächlich in einem drittklassigen Museum.
Aber das musste nicht so sein. Und in einem anderen Punkt irrte Amanda sich gewaltig. Ted war kein Vollidiot. Nach seiner kleinen Ansprache vorhin hatte Sophie die Gesichter der Besucher der Wikingerführung beobachtet und erkannt, dass Ted recht hatte. Die Kinder hatten Spaß, und sie lernten etwas. Er kümmerte sich um das Vermächtnis seines Großvaters und tat es, so gut es ihm möglich war.
Und er hat mich engagiert, um ihm dabei zu helfen.
Bislang war sie ihm keine große Hilfe gewesen. Denn sie hatte sich im vergangenen halben Jahr vor allem selbst bemitleidet. Große, wichtige Archäologin wird gezwungen, die Ausgrabungsstelle ihres Lebens zu verlassen. »Wann bin ich bloß zu so einem Snob geworden?«, grummelte sie. Dass sie nicht mehr in Frankreich graben durfte, bedeutete nicht zwangsweise, in einem kleinen Museum versauern zu müssen. Es gab auch hier Wichtiges zu tun. Sie betrachtete die Kartons, die sich in der Kammer bis zur Decke stapelten. In den meisten von ihnen befanden sich Stücke aus der Albright-Sammlung, für die Daria und Ted keinen Platz gefunden hatten. Sie würde nun einen Platz dafür finden.
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie noch immer Vitos Blitzdings umklammert hielt. Behutsam legte sie es zurück in den Karton. Sie würde beginnen, ihr
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