Todesspiel
einem Wandschrank im Schlafzimmer entdeckte John ein lockeres Bodenbrett. Als er daran rüttelte und es dann heraushob, entdeckte er einen grünen Metallkasten. Er enthielt einen abgelaufenen amerikanischen Pass mit einem Teenagerfoto von Bobby, einige teure altmodische Schmuckstücke – von seiner Mutter? – und 16 000 Dollar in Zwanziger- und Fünfzigernoten.
»Nehmen wir das Geld mit?«, fragte ich John.
»Wenn wir’s nicht machen, stecken es wahrscheinlich die Cops ein«, antwortete John und sah mich über die Geldbündel hinweg an. »Ich brauch’s aber nicht.«
»Was ist, ehm, wenn er ein Testament gemacht hat und es einem Menschen, der ihm nahe steht, zukommen lassen will?«
»Das könnten wir rausfinden und es dem Betroffenen anonym zustellen«, sagte John. »Ich fürchte jedenfalls, dass das Geld verschwinden wird, wenn wir es nicht an uns nehmen.«
Wir legten das Geld in den Harry-&-David-Obstkarton.
Den wichtigsten Fund machten wir im Wohnzimmer, in einem Einbau-Bücherschrank nicht weit von Bobbys ausgestreckter Hand entfernt. Das Versteck war schwer zu entdecken – was natürlich von vorneherein beabsichtigt war -, aber meinem geschärften Blick entging nicht, dass der Schrank tiefer war, als man zunächst vermutete. Von der Seite betrachtet war der Schrank knapp vierzig Zentimeter tief, von vorne schien er jedoch kaum tief genug zu sein, um einen Hardcoverband aufzunehmen. Einige der Bücher waren von den Brettern gerissen worden und lagen verstreut am Boden neben der Leiche.
»Komm, schau dir das mal an«, sagte ich zu John.
John trat vorsichtig über die Leiche, und ich zeigte ihm, was mich stutzig gemacht hatte. Wir brauchten eine Minute, um herauszufinden, wie die Sache funktionierte: Wenn man fest gegen eine der Ecken der Rückwandbretter drückte, lockerten sie sich, und wenn man sie heraushob, entdeckte man dahinter einen langen schmalen Hohlraum. Ein einfaches, bequem zugängliches und doch sehr effektives Versteck.
In dem Hohlraum standen siebzig DVDs: Bobbys Dateien. Wir legten sie in den Karton. Dabei standen wir dicht neben der Leiche, und John knurrte: »Dieser Geruch … Mein Gott, Kidd, er scheint in mich einzudringen.«
»Kümmer dich nicht darum. Schau nicht hin.«
Als wir fertig waren, zogen wir die Regenmäntel wieder an, steckten den Harry-&-David-Karton in einen Müllsack und schafften ihn zum Wagen. Der Regen war nicht schwächer geworden,
aber auch nicht kälter, und ich hörte das Wasser vom Blechdach durch die Regenrinnen gurgeln – ein Geräusch, das oft sanft und melodisch klang, jetzt aber wie ein Crescendo bei Richard Wagner. Als ich den Türknauf abgewischt hatte und die Tür ins Schloss ziehen wollte, sagte John: »Es gefällt mir gar nicht, ihn einfach so da liegen zu lassen …«
Ich sah hinüber zu der Leiche am Boden, sagte dann: »Wir dürfen aber hier drin nichts verändern, John. Jemand hat Bobby ermordet, und je eher die Cops herkommen, umso größer ist die Chance, dass sie den Täter schnappen.«
»Wir rufen also die Cops an?« John mochte die Cops nicht.
»Wir rufen irgendjemanden an«, sagte ich. »Wir müssen noch über vieles nachdenken. Der Kernpunkt an der Sache ist, dass wir keinen Computer vorgefunden haben, und es sieht so aus, als ob der Killer ihn mitgenommen hätte. Und das bedeutet, dass Bobbys wichtigstes Gerät irgendwo da draußen in falschen Händen ist.«
»Meinst du … Nein, nein.« John schüttelte den Kopf.
»Was wolltest du sagen?«
»Wunschvorstellungen … Ich wollte sagen, vielleicht waren es einfach nur Einbrecher aus der Nachbarschaft, und Bobby hat sie erwischt, und sie haben ihn erschlagen. Aber wenn es so war, hätten die Einbrecher auch andere Sachen mitgenommen. Es stand ja alles Mögliche im Haus rum, was solche Typen normalerweise mitgehen lassen.«
»Ja«, stimmte ich zu. »Aber sie haben nur den Laptop mitgenommen. Das bedeutet, dass sie wegen des Computers gekommen sind. Und bereit waren, dafür einen Mord zu begehen.«
»Scheiße.«
»Wenn wir Glück haben, hat Bobby die sensitiven Dateien verschlüsselt. Immer, wenn er mir was übermitteln wollte, das geheim bleiben musste, bekam ich den Kode, und erst, wenn
ich den Eingang bestätigt hatte, kam die Nachricht rein … Wenn er das Zeug verschlüsselt hat, ist alles okay.«
»Und wenn es nicht so ist und er es nicht verschlüsselt hat …«
»Dann könnte es Ärger geben.«
4
Wir waren ein seltsames Pärchen, als wir, umtost von einem
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