Todesspiel
Valley-Staatsgefängnisses in Kalifornien zubringen wirst.«
»Kidd!« Sie zuckte zusammen, fing an zu stottern: »Was … was sagst du da? Du … du musst dich täuschen …«
»Tja, du hast es ja gewollt«, sagte ich. Seitdem hütet sie sich, mich mit solchen Fragestellungen zu bedrängen.
Ich habe immer ein Tarotspiel dabei, verwahrt in einer schönen alten Holzschachtel, eingewickelt in ein Seidentuch, wie die Zigeuner es als zwingend erforderlich betrachten. Da LuEllen im Moment in den Nudnik-Status zu verfallen drohte, legte ich auf dem Telefontisch des Motelzimmers zweimal schnell die Karten.
Beide Male zeichnete sich zunächst ein klares Ergebnis ab, aber die finale Lösungskarte stand jeweils im Widerspruch dazu.
»Der Gehängte«, sagte LuEllen und tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte. Sie kennt die Karten gut genug, um das jeweilige Arkana identifizieren zu können. »Der Gehängte kommt zweimal als Signifikator, und du sagst, du hättest keine Ahnung, was das zu bedeuten hat?«
»Das Tarot ist nur ein Spiel , und als Endergebnis ist mit dieser Karte nichts anzufangen«, sagte ich.
»Lügst du mich auch nicht an?« Sie warf mir einen argwöhnischen Blick zu. »Es bedeutet zum Beispiel nicht, dass wir beide auf dem Weg nach Jackson einem Autounfall zum Opfer fallen?«
»Nein.« Ich strich die Karten zu einem Stapel zusammen, wickelte sie in das Seidentuch und steckte sie zurück in das Holzkästchen. »Der Gehängte zeigt so etwas wie einen Schwebezustand an, einen Zustand leichter Spannungen zwischen zwei Staaten zum Beispiel – eine Art Wartezustand. Eine Phase des Übergangs in einen neuen Zustand, könnte man auch sagen. Okay, Bobby ist tot, und alles ist in einem Übergangsstadium. Das wissen wir ja aber, nicht wahr?«
»Nicht die kleinste Andeutung auf etwas, das passieren könnte?«
»LuEllen, die Karten sagen absolut nichts voraus !«
»Ja, ja …« Sie kreuzte die Arme vor der Brust, sah mich zornig an. »Das sagst du immer, und dann zeigt es sich, dass es doch immer so ist.«
»Es hat ein paar zufällige Übereinstimmungen gegeben, das ist aber auch alles.«
»Zufällige Übereinstimmung, ach du heilige Scheiße! Komm, lass uns fahren. Auf dem Weg nach Longstreet kannst du mir dann ja mehr über den Gehängten erzählen.«
Longstreet liegt nordwestlich von Jackson am Mississippi. Die Stadt hat nicht viel zu bieten, bis auf eine bedeutsame Ausnahme: eine Brücke über den Fluss. Allein schon diese Tatsache verleiht der Stadt eine regionale Bedeutung. Brücken sind am Unterlauf des Mississippi eine Seltenheit. Es kommt vor, dass Leute auf der anderen Seite des Flusses, in einer Entfernung von höchstens einer Meile, Orte liegen sehen und doch in ihrem ganzen Leben nie hinkommen, weil sie fünfzig Meilen bis zur nächsten Brücke fahren müssen.
Longstreet liegt abseits des Highwaynetzes, und es war ziemlich schwierig, von Beaumont aus dorthin zu kommen. Wir brauchten fast den ganzen Rest des Tages für die Fahrt, selbst in meinem Power-Oldsmobile. LuEllen ist eine gute Fahrerin, und sie sitzt lieber am Steuer als auf dem Beifahrersitz. Ich respektierte das, und während sie den größten Teil der Strecke fuhr, setzte ich mit dem Laptop meine Durchforstung der DVDs fort.
»Es ergibt sich ein Muster«, sagte ich. »Er hat alles bis auf irrelevantes Zeug verschlüsselt. Wenn er das gleiche Muster auch bei seinem Laptop befolgt hat, brauchen wir nichts zu befürchten.«
»Sehr gut«, kommentierte LuEllen. »Und er hat ja wohl keine Datei über mich angelegt, oder was meinst du?« Sie ist
geradezu paranoid, was ihre persönliche Sicherheit angeht. Sie hat eine lange Karriere als Diebin hinter sich, einschließlich einiger recht schändlicher Episoden, aber sie hat nie im Knast gesessen, ist nie festgenommen worden, hat nie ihre Fingerabdrücke abliefern müssen.
»Nein, es sei denn …«
»Was?«
»Bobby wusste manchmal, wo wir uns aufhielten. Wusste genau, wann wir uns wo herumtrieben. Es besteht die Möglichkeit, dass er Fotos von uns gemacht hat, einfach nur aus Neugier.«
»Meinst du wirklich?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte ich nach kurzem Nachdenken. »Er kannte mich genau, und er konnte sich online ein Foto von mir besorgen. Bei der Ausstellung in der Westfield Gallery im vergangenen Winter wurde der Katalog auch ins Internet gestellt. Mit einem Foto von mir. Dort konnte er es sich rausholen. Das kann man übrigens immer noch. Also, es ist alles in Ordnung,
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