Todesspiel

und heiß, eine Stadt im Mississippi-Delta, ein Dschungel, in dem es nach Asphalt und verschüttetem Pfirsich-Soda und schmelzendem Kaugummi und totem Karpfen und Auspuffgasen alter Autos riecht; na ja, keine ganz so schlechte Mischung, wie es auf Anhieb klingt.
    Die Stadt liegt auf einer Anhöhe über dem Mississippi – nicht sehr hoch, vielleicht fünfzehn Meter über dem Hochwasserpegel, wo die Hauptstraße parallel zum Fluss verläuft. Der älteste Teil der Stadt, in Flussnähe, besteht aus roten und gelben Backsteinhäusern. Die weiter vom Fluss entfernten Wohngebiete präsentieren sich mehr in Pastellfarben.
    »Vielleicht ziehe ich eines Tages mal hierher«, sagte LuEllen, als wir den letzten Hügel vor der Stadt überquerten.
    »Und jeder einzelne Bewohner des Ortes weiß zu jedem Zeitpunkt im Jahr über jede deiner Unternehmungen Bescheid«, sagte ich.
    »Ich nenne mich dann Daisy und pflanze Mohnblumen in meinem Garten, und ich lade die Frauen des Ortes zum Häkeln bei mir ein und serviere ihnen dazu meinen Spezialtee«, sagte sie. »Und wenn ich sterbe, werden alle sagen, ich sei eine Hexe gewesen.«
    »Das ist das, was ich schon vor deinem Ableben sage«, knurrte ich. »Hast du eigentlich mit diesem Frank geschlafen, dem Alkoholgroßhändler mit dem Porsche?«
    Sie gab sich plötzlich spröde: »Keine Geschichten aus der Vergangenheit – das war von Anfang an die Übereinkunft …«
    »Es handelt sich hier nicht um ferne Vergangenheit. Ich habe dich ja schließlich mit dem Kerl bekannt gemacht.«
    »Versuch dich darauf zu konzentrieren, was wir hier tun.«
Wenn ich mich auf Longstreet konzentriere, auf das Bild der Stadt in meinem Kopf, sehe ich gelbe Hunde mit Hängeohren vor mir, die in sommerlicher Hitze auf dem Gehweg dösen, dazu Pick-ups mit Aufklebern, auf denen die Hymne der Rifle-Association (»Wenn man dich, geliebte Waffe, aus meinen kalten toten Fingern windet …«) zu lesen ist – und die Brücke über den Mississippi. Es ist eine Bogenbrücke, und der weiße Beton spiegelt die Farben des Himmels und des Flusses wider, dort, wo der Mississippi eine sanfte Biegung nach Osten macht. Am jenseitigen Ufer erkennt man die gelben Sandstrände, und nachts kommen wilde Truthähne aus dem Gebüsch und führen auf dem Sand ihre Balztänze auf.
    Wir erreichten die Stadt am diesseitigen Flussufer, brauchten also nicht über die Brücke zu fahren. Unser Weg führte die Anhöhe hinunter; wir hielten bei einem E-Z Way an und ließen uns von einem erstaunlich dicken Mann hinter dem Tresen Diet Cokes und eine Schachtel Popsicle-Eis geben, dann schlugen wir den Weg zu Johns Behausung ein, einem braunen Holzhaus im Schwarzenviertel der Stadt.
    Die beiden Kinder von John und Marvel spielten vor dem Haus. Ungläubig staunend sahen sie zu, wie ihre Mutter mich lachend in die Arme schloss und küsste und ihr Vater LuEllen küsste und fest an sich drückte. In Longstreet küssten und umarmten Schwarze keine Weißen, zumindest nach der Erfahrung der Kinder. Für mich war das sehr angenehm. Marvel ist eine attraktive Frau mit einem wunderschönen ovalen Gesicht und schräg stehenden schwarzen Augen, und sie bewegt sich von Natur aus elegant wie eine Tänzerin … Wir gingen ins Haus.
    Die Kinder waren scheu – sie kannten uns nur oberflächlich von früheren Besuchen -, tauten jedoch auf, als ich die Popsicle-Schachtel hervorholte. Marvel gab jedem ein Eis und schickte sie nach draußen, damit die Möbel von klebrigen Flecken verschont blieben. Als sie die Fliegentür zugeknallt hatten,
sagte Marvel in die entstehende Stille hinein: »Ihr beiden seht großartig aus!« John unterband jedoch jeden weiteren Austausch von Nettigkeiten: »Man kann Mr. Bole abschreiben. Er ist erledigt.«
    »Hat man ihn gefeuert?«
    »Er wird heute Abend seinen Rücktritt erklären«, sagte John mit fast bedauerndem Unterton. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt. »Er hat sich an der Erklärung versucht, die Sache sei in jugendlichem College-Übermut passiert, es sei ja auch eine Gruppe Schwarzer mit weiß bemalten Gesichtern aufgetreten, aber die Journaille würde sich ausschließlich auf ihn stürzen und nur die aus dem Zusammenhang gerissene Szene zeigen. Und wir – du, Kidd, und ich – sind wahrscheinlich verantwortlich dafür, dass er sich nicht zur Wehr setzen kann.«
    »Wieso das denn?«, fragte LuEllen und sah von John zu mir.
    »Dieses Feuerkreuz«, erklärte John. »Wir haben es geschafft, dass das FBI sich mit