Todesspiel
Vielleicht würde Jack Nestor ja herauskommen.
Rubens stellte sich vor, wie er dem Mann folgte, ihn vielleicht sogar ansprach. Er hoffte, dass er ihn erkennen würde, wenn er ihn vor sich sah. Er fragte sich, ob Nestor wohl Leibwächter hatte.
»Das Besucherbuch!«, rief Tommy plötzlich aus. »Jeder, der da reingeht, muss sich in so ein Buch eintragen, richtig? Da steht wahrscheinlich auch drin, wen sie aufsuchen. Wenn Honor Evans also schon mal hier war, dann muss sein Name in dem Buch stehen und auch, wen er aufgesucht hat.«
»Und wie willst du an die alten Besucherbücher rankommen? Über den Wachmann, mit dem wir uns eben angefreundet haben?«, fragte Rubens.
Plötzlich erstarrte Rubens. Der Mann, der soeben aus dem Gebäude getreten war und direkt auf sie zukam, war ein magerer Schwarzer in einem dunklen Anzug. Er hatte einen nervösen Watschelgang und eine weiße Strähne in seinem kurzen schwarzen Haar. Unter dem Arm trug er einen Laptop. Es bestand kein Zweifel. Das war der Mann aus dem Flugzeug nach Beiern. Derselbe, der versucht hatte zu verhindern, dass Rubens und Estrella mitflogen.
Mit klopfendem Herzen stand Rubens auf. »Warte hier, Tommy.«
Nicht der geringste Zweifel. Wie hätte er den Mann vergessen können, der sich mit dem Piloten gestritten hatte? Der so fehl am Platze gewirkt hatte in seinem eleganten Anzug. Der solche Flugangst hatte, dass er sich übergeben hatte.
Er arbeitet hier! Er wurde von Nestor nach Brasilien geschickt!
Rubens rannte nach draußen, als der Mann am Café vorbeiging. Der Himmel hatte sich noch mehr verdüstert. Die Luft roch nach Regen. Er folgte dem Mann, der um eine Ecke bog, zum Himmel hoch schaute, als fürchtete er, gleich nass zu werden, und dann auf der 44 th Street in einer Tiefgarage verschwand.
Rubens wollte ihm folgen, wich jedoch wieder zurück, als er sah, dass der Mann auf seinen Wagen wartete. Der Mann sprach heftig gestikulierend in sein Handy. Offenbar stritt er sich mit jemandem. Selbst hier wirkte er wie jemand, der unter starkem Druck stand.
Rubens spürte einen Tropfen auf seinem Kopf.
Fünf Minuten später sah er einen braunen Subaru Legacy in der Tiefgarage halten. Der Garagenwächter stieg aus. Der Schwarze gab ihm Trinkgeld, stieg in den Wagen und fuhr an Rubens vorbei. Neben dem New Yorker Nummernschild verkündeten zwei Aufkleber: »Mein Kind ist Klassenprimus« und »Disneyworld!«.
Rubens merkte sich das Kennzeichen, rannte zurück ins Café, notierte es sich an der Kasse auf einer Serviette und winkte Tommy zu sich.
»Tommy, hast du eine Möglichkeit, ein Autokennzeichen zu überprüfen?«
Tommy hob bedauernd die Schultern. »Ich habe jemanden bei der Telefongesellschaft, beim Kabelfernsehen, bei Kreditbanken. Aber leider kenne ich kein Schwein bei der Kraftfahrzeugbehörde.«
Rubens überlegte. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Ich glaube, ich habe eine Idee.«
Siebenundzwanzig Minuten später waren sie wieder in Queens und saßen auf der Koch Avenue in Elmhurst vor der Zweigstelle der Kraftfahrzeugbehörde in Tommys Sunbird. Vor dem flachen Ziegelbau stand eine Menschenschlange bis um die nächste Straßenecke. Rubens sah eine Wechselstube, einen Supermarkt, eine chemische Reinigung und ein chinesisches Restaurant.
Er stieg aus. Inzwischen fielen dicke Regentropfen. Die Regenfront, die sich über dem Hafen festgesetzt hatte, schob sich allmählich immer weiter nach Osten vor. Er hörte Donnergrollen. Ein Flugzeug, das vom John-F.-Kennedy-Flughafen gestartet war, verschwand in den Wolken. Während er in der Warteschlange nach einem bestimmten Gesicht suchte, sah er im Westen Blitze zucken. Einige Leute spannten ihre Regenschirme auf.
»Einer, der gefälschte Führerscheine besorgt?«, fragte Tommy durch das offene Autofenster.
»Da!« Rubens hatte den untersetzten, dunkelhäutigen Mann entdeckt. Er stand unter der Markise einer Bodega und las Zeitung. Rubens ging auf ihn zu.
»Erinnern Sie sich an mich?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte der Mann knapp und vertiefte sich wieder in seine Zeitung.
»Ich bin Rubens. Sie haben mir vor zwei Jahren einen Führerschein besorgt. Jemand aus Antonias Friseurladen hatte mich zu Ihnen geschickt.«
Der Mann musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, sagte jedoch nichts. Er roch nach Zigaretten und Kaugummi. Er hatte einen Mitesser an der Nase.
Als Rubens ein Bündel Geldscheine aus der Tasche zog, das Tommy an einem Geldautomaten gezogen hatte, wirkte der Mann schon
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