Todesspirale: Roman (German Edition)
und er wählte – sein Finger fuhr die Liste entlang und hielt kurz vor deren Ende inne – Jack Berensen. Der Busfahrer.
Jack kam ihm wie ein gestandener Typ vor. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ein offenbar gestandenes Mannsbild sich als der gemeinste Mistkerl entpuppte, den man sich vorstellen kann, und nach Micks Ansicht rechtfertige der Busfahrer eine nähere Überprüfung. Allein seine Tätigkeit erregte Micks Verdacht. Einen Bus von Stadt zu Stadt zu kutschieren, beinhaltete jede Menge Möglichkeiten für jemanden mit verbrecherischer Neigung.
Wer wusste schon, ob das irgendwie weiterführte; es war im besten Fall eine Arbeitshypothese. Zumindest hatte er etwas, womit er beginnen konnte. Mick legte die Namensliste zu seinen übrigen privaten Utensilien und steckte sein Portemonnaie und den Zimmerschlüssel ein. Dann verließ er das Zimmer.
Als er mehrere Stunden später zurückkam, pfiff er leise durch die Zähne. Sein Nachmittag war recht produktiv gewesen. Er hatte zwar keine Ahnung, wohin ihn die Informationen, die er heute zusammengetragen hatte, führten oder ob sie in konkreten Beweisen resultierten, aber es war ein gutes Gefühl, eine eindeutige Spur zu verfolgen. Von Beginn an war dieser verdammte Fall so jenseits jeder Norm gewesen, dass es fast schon lächerlich war. Und ehrlich gesagt, die Tatsache, dass er, nur weil er mal wieder ein bisschen Routine geschnuppert hatte, so gut gelaunt war, war schon recht erbärmlich, aber so war’s nun mal. Er hatte heute Nachmittag seinen Job getan, wie es sich gehörte, und es fühlte sich toll an.
Das Erste, was er sah, als er die Zimmertür öffnete, war Sasha, die vor dem Schrank auf dem Boden hockte. Er lächelte und beeilte sich, den Schlüssel aus dem Schloss zu ziehen. Im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, was für ein Durcheinander um sie herum herrschte, und ihm wurde speiübel.
Sein DEA-Ausweis lag offen auf dem Teppich. Seine Pistole lag neben ihrem Oberschenkel. Sie hielt ihr leopardengemustertes Satinunterhöschen in der Hand, und die Kopfhörer des Abhörgeräts baumelten ihr um den Hals.
Er musste gar nicht erst die erschöpfte Wut in ihren Augen oder die Enttäuschung in ihrer Miene lesen, um zu wissen, dass seine gesamte Zukunft gerade den Bach runtergegangen war.
15
S asha hatte nicht vorgehabt, Micks Privatsphäre zu verletzen. Alles, was sie wollte, war, ihr »Skate the Dream«-Sweatshirt zu finden.
Auch die Eiskunstlaufbranche war von AIDS betroffen. Skate the Dream war eine Veranstaltung, die vor längerer Zeit in Toronto ins Leben gerufen worden war zu Gunsten des erkrankten kanadischen Eisläufers Rob McCall. Es war eine der ersten Aufführungen, an denen Sasha als Berufsläuferin teilgenommen hatte, und sie hing sehr an diesem Sweatshirt, das ihr zum Andenken an ihre Teilnahme überreicht worden war.
Als ihr dämmerte, dass sie es schon seit Spokane nicht mehr gesehen hatte, also, sie geriet nicht direkt in Panik... aber es machte sie nervös, dass sie es nicht finden konnte. Allein zu sein und noch Zeit zum Totschlagen zu haben, steigerte ihre Nervosität, und sie beschloss, eine gründliche Suche durchzuführen. Als sie schließlich Micks Koffer entdeckte, war das die letzte Möglichkeit, wo sie noch suchen konnte, und ihre allerletzte Hoffnung.
Sie zerrte ihn oben vom Kleiderschrank, stellte ihn ab und hoffte inständig, als sie sich davorkniete und die Verschlüsse aufschnappen ließ, dass Mick irgendwann unterwegs ihr Sweatshirt eingepackt und in den Koffer gestopft hatte, weil er wusste, dass sie daran hing. Sie klappte den Deckel hoch.
Oh, Gott sei Dank. Erleichterung überschwemmte sie, als sie das Sweatshirt ordentlich zusammengelegt in seinem Koffer fand. Sie zog es sich über den Kopf, hob die schweren Haare aus dem Halsausschnitt und wollte den Koffer schließen und wieder zurückstellen. Aber ein kleiner schwarzer Lederkasten, der durch das Herausnehmen des Sweatshirts freigelegt worden war, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Da sie normalerweise nie die Privatsphäre anderer Menschen verletzte, wusste sie natürlich genau, was jetzt das einzig Richtige wäre. Keine Frage, sie sollte diesen Kasten unangetastet lassen. Er gehörte Mick. Er hatte ihr nie angeboten, ihr zu zeigen, was darin war, und es ging sie wirklich nichts an.
Aber …
Er hatte ihr nie angeboten, ihr zu zeigen, was darin war. Warum nicht? Ihr Zeigefinger fuhr über die Lederummantelung; dann glitt er zu dem kleinen goldenen
Weitere Kostenlose Bücher