Todesspur
ungutes Gefühl lässt Fernando stoppen. Er dreht sich um.
Der Dienstwagen hält mit quietschenden Bremsen neben dem Müllfahrzeug. Fernando sieht zwei weitere Müllmänner, die vor dem Wagen stehen und sich nach etwas bücken, er sieht Völxen, der aussteigt und zu den Männern geht, und schließlich, durch die orangefarbenen Beine der Müllmänner hindurch, sieht er den Jungen, der ausgestreckt auf der Straße liegt. Fernando keucht. Nicht nur wegen der Anstrengung, die ihn der schnelle Lauf gekostet hat, sondern weil ihm augenblicklich schlecht wird vor Angst. Er will nicht glauben, was er da sieht: den Jungen auf der Straße, das Blut … Jetzt beugt sich Völxen über ihn, was macht er da? Erste Hilfe? Also ist er noch am Leben? ¡Válgame dios, Santa Madre! Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht tot sein! Einer der Müllmänner telefoniert, der Fahrer schwingt sich ins Führerhaus und würgt den Motor ab. Es breitet sich eine unheimliche Stille aus, in der Fernando nur noch das Rasseln seines Atems hört. Mit Schritten, die ihm so schwerfallen, als müsste er durch ein reißendes Gewässer gehen, nähert er sich dem Geschehen. Dabei wünscht er sich nur noch, dass das ein Albtraum sei, aus dem er gleich erwachen möge.
Das Zimmer von Cornelius Seifert ist fast halb so groß wie Jules Dreizimmerwohnung in der List. Oda und Jule haben auf dem Sofa Platz genommen, hinter ihnen hängt ein gerahmtes Kinoplakat von Matrix . Cornelius und Florian, der gerade bei seinem Freund zu Besuch ist, lümmeln sich auf dem französischen Bett herum, die beim Eintreten der beiden Ermittlerinnen rasch zugeklappten Laptops zwischen ihnen. Gerade hat Oda die Freunde nach ihrem Verhältnis zu Gwen Fischer gefragt.
»Verhältnis? Da ist kein Verhältnis, Gwen singt bei uns im Chor, das ist alles«, behauptet Cornelius.
»War sie nicht mit Olaf zusammen?«
»Nö, nicht so richtig.«
»Aber in unserem gestrigen Gespräch habt ihr angedeutet, dass sie in ihn verliebt war«, erinnert Jule. »Kann es sein, dass Olaf das ausgenutzt hat?«
»Ja, schon möglich«, räumt Florian etwas patzig ein. »Wir waren ja nicht seine Aufpasser.«
Oda wird deutlich: »Und wie sieht so etwas dann aus? Musste sie einem von euch einen blasen, so wie das andere Mädchen, Fiona?«
Ein schneller Blickwechsel zwischen den beiden, dann sagt Cornelius mit aufgesetzter Empörung: »Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden.«
»Von eurem perversen Hobby, das ihr ›Jungfrauen knacken‹ nennt.«
»Auweia«, murmelt Florian und streicht sich verlegen durch seine Engelslocken, aber Cornelius hat sich bereits wieder gefangen. Er sieht Oda herausfordernd an und meint: »Wir hatten im Sommer mal eine kurze promiskuitive Phase, das gebe ich ja zu. Und Fiona – ich meine, nichts gegen das Mädchen, aber die will es ja nicht anders. Die ist gern ’ne Schlampe, um es mal salopp auszudrücken.«
»Und Gwen?«
»Gwen nicht. Gwen ist ein Sensibelchen. Aber sie kann gut singen.« Cornelius lächelt Oda selbstbewusst an.
So jung und schon so aalglatt, denkt Oda und verkündet: »Auf Olafs Computer sind jede Menge Mails und Chatprotokolle zwischen euch und ihm. Und die Nerds, die im LKA sitzen, sind zur Stunde noch dabei, die auszuwerten …«
»Wissen Sie, im Chat redet man auch viel Mist. Vieles davon ist reines Wunschdenken«, wirft Cornelius ein.
»… und wenn eines der Mädchen, von denen da die Rede ist, jünger als vierzehn sein sollte, dann könnt ihr nur beten, dass wir sie nicht ausfindig machen, denn sonst seid ihr wegen Kindesmissbrauchs dran. Also noch mal: Habt ihr mit Gwen auch solche Spielchen gemacht? Musste sie irgendwelche sexuellen Dienstleistungen vollbringen, um im Chor singen zu dürfen?«
Beide schütteln die Köpfe. »Nein, Quatsch«, murmelt Florian, der rot geworden ist.
»Falls sie so was behauptet, lügt sie«, sagt Cornelius mit fester Stimme.
Jule fragt: »Olaf hat am Samstag einen Anruf von Gwens Vater bekommen. Hat er mit euch darüber gesprochen?«
»Nein, mit mir nicht.«
»Mit mir auch nicht«, versichert Florian und fragt: »Warum hat der Olaf angerufen?«
»Das wollen wir ja gerade herausfinden«, versetzt Oda. »Er erwähnte uns gegenüber Alkohol und Drogen und Partys … «
»Ja, und? Wir sind doch nicht die Kindermädchen von Gwen«, ereifert sich Cornelius. »Sie hat sich für den Chor beworben, und wir sind davon ausgegangen, dass sie das mit ihren Eltern geklärt hat.«
Oda lässt es dabei bewenden, und Jule
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