Todesspur
Dyson. »Ich spreche nur Englisch.«
»Dann sollten Sie mit Frau Kahn reden«, schlug der Wachmann auf Englisch vor.
»Ich glaube, das war der Name, der mir genannt wurde…«
Frau Kahn war eine dunkelhaarige Dame unbestimmten Alters, die eine Goldbrille trug. Nachdem sie ihn aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, studierte sie die Karte. Dann sagte sie, er möchte sich eine Minute gedulden, und verschwand in ein anderes Zimmer, dessen Tür sie hinter sich schloß.
Dyson grinste. Er wußte genau, was sie tat. Sie rief in Zürich an, um ihn zu überprüfen. Als Dyson in der Bank gewesen war, um den Videofilm und das Tonband zu deponieren, hatte er auch ein Konto eröffnet und einen kleinen Betrag eingezahlt. Ihm war klar, wenn man ein Kunde war – ob mit einer kleinen oder einer großen Einlage –, dann war man auch Mitglied des Clubs.
Während er allein war, holte er sein Taschentuch hervor, feuchtete es mit der Zunge an und rieb sich damit übers Gesicht. Den größten Teil des Schmutzes hatte er bereits im Foyer entfernt, aber ihm lag daran, einen guten Eindruck zu machen. Auszusehen wie ein vermögender Mann. Ein untadeliges Mitglied des Clubs. Frau Kahn kehrte zurück und ließ sich an ihrem Schreibtisch nieder.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Dyson?«
»Ich muß mich mit Mr. Amberg in Verbindung setzen. Er bewahrt etwas Wertvolles für mich auf. Er sagte, ich sollte nach ihm fragen, wenn ich die Wertsachen abholen will. Es ist ziemlich dringend.«
»Mr. Amberg ist in Frankreich.«
»Ich weiß.« Er lächelte kurz. »Aber ich habe die Adresse, die er mir gab, in meiner Wohnung in London vergessen. Da ich Junggeselle bin, ist dort niemand, den ich anrufen könnte, damit er sie heraussucht.«
»Er ist im Elsaß …«
»Daran erinnere ich mich. Aber ausländische Adressen kann ich mir einfach nicht merken.«
»Es ist nicht weit von hier. Das Chateau Noir in den Vogesen. Sie fahren mit dem Zug nach Colmar.«
»Ich fähre mit dem Wagen. Ich bin schon früher dorthin gefahren. Nach Colmar.«
»Das Chateau ist schwer zu finden, Mr. Dyson. Es liegt hoch oben in den Bergen. Ich empfehle Ihnen, eine Straßenkarte zu kaufen. In Colmar gibt es ein Hotel ganz nahe am Bahnhof. Das Hotel Bristol. Dort wird man Ihnen anhand der Karte sagen, wie Sie fahren müssen.« »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Kahn.«
»Gern geschehen. Der Wachmann wird Sie hinausbegleiten …«
Das war unerfreulich. Er hatte gehofft, vor dem Verlas der Bank im Foyer wieder in seine Stromerkleidung schlüpfen zu können. Der Wachmann erschien, begleitete ihn zum Vorderausgang, öffnete ihm die Tür und nickte ihm zu.
Dyson trat hinaus in einen eiskalten Nachmittag. Drinnen in der Bank war es behaglich warm gewesen. Er ging paar Schritte die Straße hinunter, wobei er den Amerikaner beobachtete, der immer noch auf der anderen Straßenseite stand. Dann spürte er, wie ihm der Lauf einer Pistole in den Rücken gerammt wurde.
»Wo ist Amberg, Mr. Dyson? Eine ehrliche Antwort bedeutet, daß ich vielleicht nicht auf den Abzug zu drücken brauche.«
»Im Chateau Noir. Frankreich. In den Vogesen. In der Nähe von Colmar.«
Dyson war starr vor Angst, aber er wußte, wie man am Leben bleibt. Ein gewaltiges Vermögen war jetzt in greifbarer Nähe. Da wollte er keine Kugel in seinen Rücken riskieren. Der Mann hinter ihm sprach mit amerikanischem Tonfall.
»Wir beide, Sie und ich, machen jetzt einen kleinen Spaziergang«, fuhr die Stimme fort. »Es gibt eine Abkürzung durch eine Gasse …«
Er brach ab. Dyson hatte einen Streifenwagen entdeckt, der langsam die Straße entlangrollte. Er warf beide Hände in die Luft, hoch über seinen Kopf. Dann ging alles sehr schnell. Der Streifenwagen hielt an, der Revolverlauf verschwand aus seinem Rücken, er hörte das Geräusch rennender Füße, wahrend ein Polizist mit gezogener Waffe auf ihn zukam.
»Er hat mich mit einer Waffe bedroht, wollte meinen Paß und mein Geld.«
Dyson warf einen Blick über die Schulter. Der Amerikaner war verschwunden.
»Aber er hat nichts bekommen. Sie kamen gerade noch rechtzeitig…« Der Polizist nickte, rannte jetzt mit langen Schritten auf die nächste Kreuzung zu und verschwand um eine Ecke.
Dyson seufzte erleichtert, griff nach seiner Segeltuchtasche, die er fallen gelassen hatte, und ging schnell davon.
Er hatte bereits einen silberfarbenen Mercedes gemietet.
Eine Stunde später überquerte er die Grenze und fuhr in Richtung Colmar.
Jedesmal, wenn Norton mit
Weitere Kostenlose Bücher