Todesspur
wo sie wohnt. Ich hatte daran gedacht, mir ihre Adresse zu besorgen – aber das ist nicht die Art von Nachricht, die man gern am Telefon übermittelt.«
»Eine Schweizerin?« fragte Paula, deren Neugierde geweckt war.
»Nein, sie stammt aus England und ist wesentlich jünger, als ihr Mann war. Ich glaube, sie heißt Eve. Diese unangenehme Aufgabe wird Walter zufallen. Walter ist Präsident – Julius war geschäftsführender Direktor, der Mann, der im Grunde die Bank und ihre verschiedenen Filialen leitete.«
»Ist Walter dazu imstande?« fragte Newman. »Ich meine, Julius’ Arbeit zu übernehmen und das Unternehmen zu leiten?«
»Keine Ahnung.« Tweed hatte seine Eier mit Speck verzehrt und schob den Teller zurück. »Wissen Sie, Paula, unter all den Dingen, die passiert sind, ist eines, das ich einfach nicht begreifen kann.«
»Und was ist das?«
»Weshalb hat der Mörder, nachdem er Julius Amberg in Tresilian Manor erschossen hatte, sein Gesicht mit Säure übergössen? Nicht aus Rache – mit einem solchen Gegner haben wir es nicht zu tun. Also weshalb die Säure?«
17. Kapitel
Norton flog mit derselben Maschine nach Zürich wie Mencken und seine Leute. Aber während die vierzig Mann, die als Verstärkung abkommandiert worden waren, in der Economy-Klasse flogen, saß Norton in der Ersten Klasse.
Er trug einen in England geschneiderten Anzug und sprach Englisch ohne eine Spur von amerikanischem Akzent. Als er in die Maschine eingestiegen war, hatte er sich für einen Sitz am Gang entschieden und sich neben einer elegant gekleideten Schweizerin niedergelassen. Er achtete sehr darauf, daß nichts in seinem Verhalten den Eindruck erweckte, als wollte er sich an sie heranmachen.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?« hatte er höflich gefragt. »Hier ist genügend Platz für meine Beine, und ich muß unterwegs Geschäftspapiere durcharbeiten.«
»Der Platz ist frei«, hatte sie erwidert, nachdem sie einen flüchtigen Blick auf ihn geworfen hatte.
Die Maschine hob ab, und Norton holte eine Mappe mit Statistiken über Computer aus seinem Aktenkoffer. Er verstand nicht das geringste von Computern, aber falls Mencken einen Blick in die Erste Klasse werfen sollte, würde er ein gemeinsam reisendes Paar sehen.
Sobald die Maschine in Kloten gelandet war, bewegte er sich sehr schnell. Als Mencken bei der Gepäckausgabe ankam, wartete abermals ein Gepäckträger auf ihn und händigte ihm einen Umschlag aus.
»Ich soll Ihnen das geben, Sir. Ihr Gepäck kommt gleich.«
Eingedenk seiner Erfahrungen in Heathrow unternahm Mencken keinen Versuch, den Gepäckträger auszufragen. Er ließ den Blick über die anderen Fluggäste schweifen. Keine Möglichkeit, Norton zu identifizieren – wenn er sich überhaupt in der Nähe der Gepäckausgabe aufhielt, was Mencken bezweifelte. Er öffnete den Umschlag. Ein weiteres Blatt ohne Angabe einer Adresse und mit detaillierten Anweisungen.
Verteilen Sie Ihre Leute auf die folgenden vier Hotels – in dem zuerst aufgeführten steigen zwei Gruppen ab. Die Zimmer sind von Golden Bay Tours gebucht. Ich rufe Sie in Ihrem Hotel an und sage Ihnen, wo Sie die Spezialausrüstung abholen können. Hotels: Baur-en-Ville, Eden-au-Lac, Dolder Grand, Baur-au-Lac.
Auch dieser Brief war mit Tinte mit dem schwungvollen »N« unterschrieben. Mencken fluchte leise über den vertraut abrupten Ton der Anweisung. Er begann, zwischen den Passagieren herumzuwandern und nannte jedem der Gruppenführer den Namen seines Hotels. Noch während er das tat, setzte sich das Fließband in Bewegung, und das Gepäck erschien.
»Spezialausrüstung« – Mencken wußte, daß damit Waffen und Sprengstoff gemeint waren.
Newman hatte beschlossen, Tweed und Paula zu Walter Amberg in die Zentrale seiner Bank in der Talstraße zu begleiten. Paula war ein wenig nervös. Sie konnte einfach die Fotos von Julius Amberg vor dem Massaker nicht verdrängen – und wie er nach der Zerstörung seines Gesichts durch die Säure ausgesehen hatte. Und jetzt sollte sie seinen Zwillingsbruder kennenlernen…
Obwohl sie darauf vorbereitet gewesen war, empfand sie doch einen gewissen Schock, als ein Assistent sie in ein großes Büro führte und ein Mann mit ausgestreckter Hand auf sie zukam.
»Willkommen in Zürich, Tweed. Ich freue mich, Sie wiederzusehen.«
Auch Walter Amberg, ein kleiner, untersetzter Mann in den Fünfzigern, trug sein schwarzes Haar scheitellos und glatt von der hohen Stirn aus
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