Todesspur
zurückgekämmt. Die Augen unter den dichten Brauen wirkten intelligent, das Gesicht war glatt rasiert und rundlich. Paula war verblüfft. Der Mann, den sie vor sich sah, war das genaue Ebenbild des Bankiers, den sie in Tresilian Manor kennengelernt hatte. Er trug sogar denselben dunklen Anzug mit einem roten Ziertaschentuch in der Brusttasche. Tweed stellte ihm Paula vor. Newman kannte den Bankier bereits von früher. Amberg führte sie zu bequemen Sesseln, die einen langen, polierten Konferenztisch umstanden.
»Ich nehme an, Sie hätten gern einen Kaffee«, sagte er und gab die Anweisung über eine Gegensprechanlage. »Soweit ich weiß, haben Sie sich mit Julius in Cornwall getroffen«, fuhr er an Tweed gewendet fort, nachdem er sich mit Paula zu seiner Rechten und Tweed und Newman gegenüber niedergelassen hatte. »Seither habe ich noch nicht wieder von ihm gehört – was nicht ungewöhnlich ist, da Julius mir nur selten viel von seinen Geschäften erzählt. Ich nehme an, alles ist gut verlaufen.«
Tweed holte tief Luft. Dieser Augenblick hatte ihm bevorgestanden.
»Ich fürchte, ich habe eine schlimme Nachricht für Sie, was Julius angeht.«
»Ist er krank?« Amberg wirkte überrascht. »Er ist fast nie krank. Sagt immer, für so etwas hätte er keine Zeit.«
»Die Nachricht ist schlimmer, viel schlimmer«, warnte Tweed.
»Sie meinen doch nicht etwa, er ist – tot?«
»Genau das meine ich.«
Tweed gab ihm einen knappen Bericht über das, was in Cornwall passiert war. Amberg hörte zu, mit ausdrucksloser Miene, aber Paula bemerkte, wie sich seine Lippen zusammengepreßt hatten, als Tweed die grauenhafte Geschichte erzählte. Der Schweizer hörte zu, mit vor dem Kinn zusammengelegten Fingerspitzen – eine Eigenheit, die ihr auch im Eßzimmer von Tresilian Manor aufgefallen war.
»Es ist eine große Tragödie«, schloß Tweed, »und wir haben keine Ahnung, wer diesen Anschlag verübt hat – oder warum. Ich hatte gehofft, Sie hätten vielleicht irgendeine Vermutung.«
»Wie ich schon sagte – Julius ging seine eigenen Wege.
Was es mir fast unmöglich macht, Ihnen zu helfen. Ich wußte nicht einmal, weshalb er nach Cornwall gefahren ist, um sich mit Ihnen zu treffen.« »Haben Sie je von einem Mann namens Joel Dyson ge hört?« fragte Tweed.
»Ja. Kein besonders erfreulicher Zeitgenosse – oh, tut mir leid, ist er ein Freund von Ihnen?«
»Nein, durchaus nicht. Fahren Sie fort.«
»Dieser Dyson erschien mit einem Koffer und wollte Julius sprechen. Er war ziemlich aggressiv, und ich war überrascht, als mein Bruder sich bereit erklärte, ihn zu empfangen.« Amberg sah Newman an. »Soweit ich weiß, haben Sie Julius einmal einen großen Gefallen getan, der mit diesem Menschen zusammenhing.’«
»Nichts von Bedeutung«, sagte Newman und tat die Angelegenheit damit ab.
»Bei seinem zweiten Besuch hier schien Dyson sich zu fürchten«, fuhr der Bankier fort. »Nachdem er mit meinem Bruder gesprochen hatte, bat er darum, zum Hinterausgang hinausgelassen zu werden. Später hat Julius mir erzählt, daß Dyson ihm einen Videofilm und ein Tonband zur sicheren Aufbewahrung übergeben hätte. Seither habe ich Dyson nicht wiedergesehen.«
»Wohin wurden der Film und das Tonband gebracht?«
fragte Tweed beiläufig.
»In den Tresor natürlich. Später ließ Julius sie in den Tresor unserer Filiale in Basel bringen. Ich habe keine Ahnung, warum er das getan hat.« Er schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Oh Gott, ich habe gar nicht an Eve gedacht. Da ich erst jetzt von diesem grauenhaften Vorfall gehört habe, weiß sie es vielleicht noch gar nicht. Eve ist seine englische Frau.
Aber sie haben sich getrennt.«
»Getrennt?« erkundigte sich Tweed behutsam.
»Ja. Kurz bevor Julius nach London abflog, hatte er einen letzten heftigen Streit mit Eve. Sie waren schon seit geraumer Zeit nicht mehr gut miteinander ausgekommen. Ausländische Frauen .,..« Er machte eine Kopfbewegung zu Paula hin. »Bitte entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Ausländische Frauen«, fuhr er fort, »sind oft eine Katastrophe, wenn sie einen Schweizer heiraten. Julius hat mir kurz vor seiner Abreise erzählt, daß sie sich auf eine Scheidung geeinigt hätten, daß er sie nie wiedersehen wollte. Aber jemand muß es ihr sagen …«
Er brach ab und wirkte auf einmal völlig hilflos. Offenbar setzt jetzt der Schock über das Gehörte ein, dachte Paula. Es war Tweed, der das Wort ergriff.
»Wenn Sie mir ihre Adresse geben,
Weitere Kostenlose Bücher