Todesspur
Laut Nichts. Er schaltete die Taschenlampe wieder ein, ließ das Licht langsam herumwandern, dann hielt er still. Mit einer raschen Bewegung richtete er sie auf das Fenster; die Vorhänge waren nach wie vor zugezogen. Er sprach über die Schulter.
»Paula, an Ihrer Stelle würde ich draußen bleiben.«
Was genau die Bemerkung war, die sie veranlaßte, hineinzugehen. Sie folgte Tweed, der zwei Schritte machte und dann stehenblieb. Sie sah, wie er in die Tasche seines Jacketts unter dem Trenchcoat griff, ein Paar dünne Gummihandschuhe herausholte und sie überstreifte. Sie holte ihr eigenes Paar aus ihrer Umhängetasche. Newman stand sehr still mitten im Zimmer. Er hatte die Tür mit den Knöcheln aufgestoßen. Keine Fingerabdrücke.
Tweed griff nach dem Wandschalter, den er bei ihrem ersten Besuch bemerkt hatte, drückte ihn nieder. Die rosa Wandlampen leuchteten auf, und Paula sah, worauf Newman gestarrt hatte.
»Oh, nein!«
Helen Frey, nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet, lag zusammengesackt in einem Sessel. Das Vorderteil ihres weißen Unterrocks war blutgetränkt. Ihr Kopf lag in einem unnatürlichen Winkel auf der Rückenlehne des Sessels, und um ihren Hals zog sich ein blutroter Halbmond.
Tweed trat dicht an den Sessel heran, und Paula folgte ihm.
Offenbar war ein scharfer, dünner Draht benutzt worden. Der Kopf war fast vom Körper abgetrennt. Sie sah grauenhaft aus ihr Mund stand offen, die Zunge hing heraus. Damit war der unnatürliche Winkel des Kopfes erklärt. Es war nur sehr wenig übriggeblieben, das ihn mit dem Körper verband.
»Emil Voser, 16.30 Uhr«, sagte Paula, die sich an Newmans Hinweis auf den Terminkalender erinnerte.
»Was vermutlich nicht sein wirklicher Name ist«, bemerkte Tweed, während er die Augen über den Teppich schweifen ließ. »Ich glaube nicht, daß wir uns hier noch länger aufhalten sollten. Was ist, Paula?«
Sie hatte sich neben dem Sessel niedergehockt. Sie deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden, und Tweed ging neben ihr in die Hocke. Auf dem Teppich lag eine blutige Perle, an beiden Enden durchbohrt, als hätte sie zu einer Kette gehört.
»Die nehmen wir mit«, befahl Tweed.
»Was bedeutet, daß wir Beweismaterial beiseiteschaffen.«
»Genau das bedeutet es«, pflichtete Tweed ihr bei. »Aber wir wissen mehr über diese Leute als sonst jemand.«
Paula holte bereits einen kleinen Plastikbeutel aus ihrer Umhängetasche. Sie suchte abermals in ihrer Tasche, und ihre Hand kam mit einer Pinzette zum Vorschein. Sie benutzte sie, um die an einer Seite aufgeplatzte Perle in den Beutel zu befördern und ihn zuzudrücken. Dann schrieb sie auf das darauf angebrachte Etikett das Datum und »Rennweg 590«
und verstaute den Beutel in ihrer Tasche. Beim Aufstehen schnupperte sie. Dann begann sie, in der Wohnung umherzuwandern.
»Riechen Sie es nicht?« fragte sie Tweed. »Es ist mir gleich aufgefallen, als wir hereinkamen – jemand hat hier drinnen eine Zigarre geraucht. Ah, da haben wir’s …«
Auf einem niedrigen, von der Armlehne der Couch halb verdeckten Tisch stand ein großer gläserner Aschenbecher, in dem ein intaktes Stück Zigarrenasche lag. Sie holte einen weiteren Beutel hervor und kippte die Asche vorsichtig hinein. Sie versiegelte ihn, schrieb nur »Zigarrenasche, Probe Zwei« darauf und steckte den Beutel in ihre Tasche.
»Das war mir entgangen. Gute Arbeit«, lobte Tweed.
Newman stand neben dem Schreibtisch in der Nähe der zugezogenen Vorhänge. Er betrachtete den aufgeschlagenen Terminkalender.
»Sie hatte für heute keine anderen Verabredungen. Nur diesen Voser.«
»Wir verschwinden jetzt«, beschloß Tweed. »Ich lasse die Tür einen Spaltbreit offen, genau so, wie wir sie vorgefunden haben. Bewegt euch leise – und denkt an die knarrende Stufe, wir wollen nicht Klaras Aufmerksamkeit erregen …« Sie traten auf die stille Straße hinaus. Tweed ging als letzter und zog die Tür fast zu; jetzt steckten seine Hände in Lederhandschuhen. Wieder gab ihnen Cardon durch das Fenster des Cafes hindurch ein Zeichen. Diesmal ging Newman hinein, dann drehte er sich um und bedeutete Tweed und Paula, ihm zu folgen. Tweed begriff, weshalb er das getan hatte, als er Klara sah, die allein und mit einer Tasse Kaffee vor sich an einem der Tische saß.
»Ich werde mit Klara reden«, sagte Newman. »Vielleicht weiß sie etwas.«
»Gute Idee«, sagte Tweed nach kurzem Zögern.
»Also sind Sie doch wiedergekommen, damit wir unseren Spaß miteinander
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