Todesstatte
einem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, sondern dass man dabei gesehen werden muss. Nur deshalb möchte man doch seinen Namen in der Zeitung stehen haben, nicht wahr? Damit alle sehen, dass man das Richtige getan hat, ganz egal, was man von dem Verstorbenen gehalten hat.«
»Ich glaube, das ist ein bisschen unfair.«
»Und das ist auch der Grund, weshalb so viel Geld für Trauerkränze ausgegeben wird, habe ich recht? SchlieÃlich nützen die einem Toten nicht viel, oder?«
Cooper wurde unruhig und lieà das Gummiband an seinem Notizbuch schnalzen, als dachte er, es sei Zeit zu gehen. Hudsons Lächeln schwand, doch er blieb gelassen. Selbstverständlich wurde er tagtäglich mit schwierigen Situationen konfrontiert.
»Haben Sie irgendein schicksalhaftes persönliches Erlebnis hinter sich?«, fragte er. »Falls Sie irgendetwas bekümmert, könnten wir Ihnen einen Trauerhelfer empfehlen.«
»Nein«, fauchte Fry. »Das war eine grundsätzliche Feststellung.«
»Tja, man könnte Ihre Ansichten für etwas zynisch halten, Sergeant«, sagte er. »Aber ich kann nicht bestreiten, dass in dem, was Sie sagen, ein Funken Wahrheit steckt.«
»In Ordnung. Führen Sie eigentlich alle Bestattungen in dieser Gegend selbst durch, Mr. Hudson?«
»Meine Frau Barbara kümmert sich um einige davon.«
»Und nachdem die Eden Valley Times keine Listen mit Trauergästen mehr abdruckt, sammeln Ihre Mitarbeiter vermutlich auch keine Namen mehr«, stellte Fry fest.
»Das ist richtig. Wir tun das nicht mehr automatisch. Nur wenn uns ein Kunde ausdrücklich darum bittet.«
»Und wie war es gestern in der Kirche von Wardlow?«
Hudson schüttelte den Kopf. Er fügte dieser Geste sein mitfühlendes Lächeln hinzu, als wollte er andeuten, dass er ihren Kummer verstand, und ihr sein Beileid bekunden.
»Ãberhaupt keine Namen«, sagte er. »Tut mir schrecklich leid.«
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Nachdem Ben Cooper nach seinem unerwarteten Ausflug zum Bestattungsunternehmen wieder in der Einsatzzentrale eingetroffen war, fragte er sich, weshalb Fry so abwesend gewirkt hatte. Ja, sogar besorgt.Was auch immer sie beschäftigte, sie nahm sich zumindest die Zeit, sich für seine forensische Rekonstruktion zu interessieren und die Fotos durchzusehen, die er aus Sheffield mitgebracht hatte.
»Die sind nicht schlecht«, stellte sie fest. »Lassen wir sie in den Zeitungen veröffentlichen?«
»Ich habe sie gestern Abend abgegeben. Die Presseabteilung hat sich schon darum gekümmert.«
»Gut. Vielleicht bekommst du ja bald Resonanz. Hast du noch irgendwelche andere Ideen, Ben?«
»Ich habe mir gedacht, ich könnte Mr. Jarvis ein paar Abzüge zeigen.«
»Wem?«
»Dem Besitzer des Hauses, das der Fundstelle der Ãberreste am nächsten ist. Er heiÃt Tom Jarvis. Wir wissen zwar nicht, wie sie dorthin gekommen ist, aber unter Umständen hat Mr. Jarvis sie in der Gegend gesehen, als sie noch am Leben war.«
»Es gibt keine Hinweise, wie sie ums Leben gekommen ist, richtig?«
»Bislang nicht.«
Fry gab ihm die Fotos zurück. »Vergiss nicht, dass dieser Mr. Jarvis zu einem Verdächtigen werden könnte, wenn sich herausstellt, dass sie ermordet wurde.«
»Natürlich«, erwiderte Cooper. »Doch wenn er jetzt abstreitet, irgendetwas über sie zu wissen, könnte ihn genau das später überführen.«
»Vorausplanung. Das gefällt mir.«
Einen Augenblick lang glaubte Cooper, sie würde ihm den Kopf tätscheln oder ihm ein FleiÃbildchen geben. Doch dann entfernte sie sich und war in Gedanken bereits wieder woanders. Sie ging zurück zu ihrem Schreibtisch und öffnete ein Paket, das aus Ripley eingetroffen war, und es schien, als habe sie ihn bereits vergessen. Cooper rief ihr quer durchs Büro zu.
»Hast du was Interessantes bekommen, Diane? Der Besuch bei Hudson und Slack heute Morgen â und ich habe gehört, dass es eine Tonbandaufzeichnung von einem Anruf im Kontrollraum geben soll...«
»Das ist wahrscheinlich nur heiÃe Luft«, sagte sie. Und dann griff sie als Zeichen, dass die Unterhaltung beendet war, zum Telefonhörer.
Cooper legte seine Fotos neben den Bericht des forensischen Anthropologen. Davon abgesehen existierte noch eine Reihe von Fotos von der Fundstelle im Ravensdale-Tal. Sie zeigten die Ãbereste, halb
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