Todesstoß / Thriller
anderen um den Tisch in Abbotts Büro versammelte. Die Stunde Schlaf hatte tatsächlich ein wenig geholfen. Wenigstens konnte er wieder etwas klarer denken.
Sie warteten auf Abbott, der sich noch in einer Besprechung mit seinen Vorgesetzten befand. Noah nahm an, dass er sich in solchen Augenblicke sein hübsches Gehalt wahrlich sauer verdienen musste.
Im Raum herrschte eine unangenehme Stille. Micki und Olivia betrachtete ihn und Jack mit offensichtlicher Besorgnis. Olivias Partner, Kane, schien klar zu sein, dass ihm etwas entgangen war, aber augenscheinlich wollte er nicht nachhaken, weil er sicher war, dass Olivia ihn später noch ins Bild setzen würde. Olivia und Kane hatten eine großartige Arbeitsbeziehung, und Noah beneidete sie im Augenblick mehr denn je darum.
Ian war am Tatort, in Rachel Wards Haus, gewesen und hatte den Rest der Nacht gearbeitet. Dementsprechend fertig sah er aus. Der einzige, der einen ausgeruhten Eindruck machte, war Carleton Pierce, aber auch ihm entging nicht, dass etwas nicht stimmte. Mit gerunzelter Stirn sah er sich am Tisch um.
»Was ist passiert? Ich rede jetzt nicht von der Ermittlung.«
»In der Nacht haben wir ein drittes Opfer gefunden. Wir hatten die Frau bereits im Visier, sind aber zu spät gekommen«, sagte Noah. »Um höchstens vierzig Minuten.«
Carleton zog die Brauen noch weiter zusammen. »Wer hat sie gefunden?«
»Ich«, sagte Olivia. »Und den Täter habe ich um zehn Minuten verpasst.«
»Aber das verstehe ich nicht. Woher wusste Sie, wo Sie suchen mussten?«
»Wir haben wieder einen Tipp bekommen«, sagte Jack gepresst. »Von unserer vertraulichen Quelle.«
»Er weiß Bescheid, Jack«, sagte Noah. »Carleton, ich weiß, dass Sie gestern Abend mit ihr gesprochen haben. Wir konnten eingrenzen, welche der Probandinnen die Nächste sein würde, aber wir hatten einige Kommunikationsprobleme, und nun ist Rachel Ward tot.«
»Ich verstehe«, sagte Carleton, und sein Blick glitt zu Jack. »Obwohl ich es lieber nicht täte.«
Abbott trat ein. »Leute, sagt mir, dass wir etwas haben«, begann er mit einer Miene, die genauso versteinert wirkte wie Jacks. »Zumindest, um mich über den gewaltigen Tritt in den Hintern, den ich gerade kassiert habe, hinwegzutrösten. Ian?«
»Ich habe die Autopsie beendet. Das Opfer hatte einen Alkoholgehalt von 3,5 Promille im Blut.«
»Wow«, sagte Micki. »Das ist ja fast eingelegt. Aber es überrascht mich nicht. Wir haben eine Wodkaflasche unter dem Autositz gefunden. Leer.«
»Der Test auf Ketamin ist noch nicht zurück«, sagte Ian, »aber ich habe keine Einstichwunde gefunden. Dafür aber die gleiche Schwellung in Ellenbogennähe, die vermutlich von einer Zwangsjacke stammt. Keine Wunden an den Händen, die auf Abwehr oder Verteidigung hinweisen, obwohl ich Schürfungen an den Knöcheln gesehen habe. Sie war an einen Stuhl gefesselt, als ihre Füße verbrannten.«
Noah erinnerte sich an den Geruch im Haus. Verbranntes Fleisch. Allein der Gedanke verursachte ihm Übelkeit.
»Er hat ihr die Füße verbrannt?«, fragte Carleton leise. »Mein Gott.«
»Verbrennungen an Füßen und Waden«, fuhr Ian fort. »Der Urintest war positiv auf Amphetamine.«
»Die sie sich selbst verabreicht hat oder der Täter?«, wollte Abbott wissen.
»Ich denke, hier ging es darum, die Wirkung des Alkohols zu verringern.«
»Er wollte, dass sie bei sich war«, murmelte Micki.
»Damit sie beim Feuer auch wirklich Todesangst empfand«, sagte Jack. »Ich habe mir ihre Vorgeschichte angesehen. Vor fünf Jahren hat ihr Mann herausgefunden, dass sie ihn betrog. Er folgte ihr zu einem Motel, wo sie ihren Liebhaber treffen wollte. Der Mann fackelte das Motel kurzerhand ab. Der Liebhaber und zwei Unbeteiligte starben. Rachel schaffte es nicht mehr rechtzeitig nach draußen. Sie hatte eine schwere Rauchvergiftung und wäre ebenfalls fast gestorben.«
»Das erklärt die alten Gewebeschäden in der Lunge«, sagte Ian. »Ich hatte mich schon gefragt, woher sie stammen mochten.«
»Wo ist der Ex jetzt?«, fragte Olivia.
»Staatsgefängnis«, sagte Jack. »Lebenslänglich. Und er ist heute Morgen wirklich da gewesen. Ich habe angerufen.«
»Das Opfer hatte also eine nachvollziehbare Angst vor Feuer«, sagte Carleton. »Der Killer kann das durchaus als Schluss gezogen haben.«
»Oder er hat einfach hier drin nachgesehen«, sagte Noah und legte den Stapel Fragebögen auf den Tisch. Sie waren heute Morgen angekommen. »Die Testpersonen haben sie zu
Weitere Kostenlose Bücher