Todesstoß / Thriller
Freundin.«
»Ja, das glaube ich.« Bei allem, was sie in ihrem kurzen Leben durchgemacht hatte, war Eve jemand, die viel zu geben hatte. »Dafür hast du eine echte Gabe.«
Das überraschte sie. »Danke.«
»Dein Bekannter konnte die Reha schließlich also verlassen?«, fragte er, und sie nickte.
»Jetzt hat er einen Lehrauftrag. Aber bevor er ging, machte er mir regelrecht die Hölle heiß. Obwohl mir Dana und die anderen dasselbe gesagt hatten, fiel es bei ihm mehr ins Gewicht.«
»Auch er hatte sich dein Vertrauen verdient, richtig?«
»Ja. Das hat er.«
»Okay. Kommen wir wieder auf den Ausgangspunkt zurück. Es macht dich nervös, dass du mir vertraust, obwohl ich nichts getan habe, um dieses Vertrauen zu verdienen. Was befürchtest du denn?«
Ihre Wangen färbten sich dunkel, wodurch die sorgfältig überschminkte Narbe hervortrat. Er hätte ihr sagen können, dass ihn die Narbe vor der Operation auch nicht gestört hatte, aber er wusste, dass sie ihm nicht glauben würde. Noch nicht.
»Eve?«, drängte er, als sie nicht reagierte. »Machst du dir Sorgen, dass du bei mir vielleicht die Kontrolle verlieren könntest?« Ihre Augen blitzten auf, und er erkannte, dass er einen Treffer gelandet hatte. Er hörte nicht auf, denn er wusste genau, dass er hier und jetzt die Chance hatte, zu ihr durchzudringen, und diese Chance würde er nicht verschenken. »Hast du Angst, dass du endlich wieder etwas empfinden könntest, nachdem du sechs Jahre lang am Rand des Lebens gestanden und zugesehen hast?«
»Nein«, fauchte sie, regte sich aber keinen Millimeter.
»Gut. Wovor hast du dann Angst?«
»Dass ich von dem Gefühl abhängig werden könnte«, knurrte sie. Abrupt stand sie auf, so dass der Stuhl laut über den Boden schrammte. »Ich entscheide mich lieber dafür, allein zu bleiben, als dass ich Angst haben muss, jemanden zu verlieren. Und jetzt komm mir bloß nicht damit, dass selbst eine verlorene Liebe besser ist als gar keine, denn darauf werde ich mich nicht einlassen.«
Er lehnte sich zurück und sah sie unverwandt an. Sein Herz hämmerte schnell. »Willst du mich, Eve?«
»Ja«, zischte sie. »Schon, als du zum ersten Mal in die Bar gekommen bist. Du hast mir direkt in die Augen gesehen, und wenn du wüsstest, wie selten das vorkommt, dann würdest verstehen, was das in mir bewirkt hat.«
»Aber ich habe ein ganzes Jahr nichts getan«, murmelte er. »Und du hast gedacht, ich hätte kein Interesse.«
»Es hätte keinen Unterschied gemacht.« Sie wandte sich ab und tat, als würde sie nach der Pizza sehen, aber ihre Hände zitterten. »Es hat keinen Sinn, uns weiter vorzuwagen. Du hattest schon einmal eine Frau. Ich gehe davon aus, dass du das immer noch willst – Frau und Familie.«
»Das Thema hatten wir bereits«, sagte er geduldig. »Und ich sagte dir, dass es keine Rolle spielt, ob du Kinder haben kannst oder nicht, und dass ich die Messer verstecke, wenn du schlafwandelst. Im Übrigen habe ich einen extrem leichten Schlaf«, neckte er sie, wurde aber sofort wieder ernst. »Nichts davon ist für mich entscheidend.«
»Du meinst, es spielt keine Rolle, aber eines Tages wirst du dich fragen, wie es wohl wäre, Vater zu sein.«
»Ich
weiß,
wie es ist, Vater zu sein«, sagte er, schärfer als beabsichtigt. »Ich hatte einen Sohn. Er wäre im vergangenen November vierzehn geworden.« Sie erstarrte. »Ist er auch bei dem Unfall umgekommen?«
»Ja. Und ihn und meine Frau zu verlieren, war das Schlimmste, was ich je in meinem Leben durchmachen musste. Du hast recht, lieber eine verlorene Liebe als gar keine erlebt zu haben, ist Quatsch. Aber ich bereue nicht, dass sie Teil meines Lebens waren.« Er holte Luft. »Ich muss kein Kind mehr haben. Wenn ich eines hätte, würde ich es lieben, zweifellos, aber ich brauche die Erfahrung kein zweites Mal.«
»Ich glaub’s dir immer noch nicht. Aber ich weiß, dass du es glaubst.« Sie berührte seinen Ärmel mit zitternden Fingern und rang um Fassung. »Ich … ich habe keinen großen Hunger. Würdest du mich jetzt bitte zu Davids Truck fahren?«
Er hatte versprochen, sie gehen zu lassen, wenn es das war, was sie wirklich wollte. »Okay«, sagte er schließlich. »Ich lasse einen Streifenwagen vor der Haustür parken, wo auch immer du heute Nacht bleiben willst.« Er nahm einen Topflappen, holte die Pizza aus dem Ofen und starrte einen Moment darauf. »Heute Morgen hast du mich gefragt, warum ich ausgerechnet dich will. Ich habe gesagt, das würde
Weitere Kostenlose Bücher