Todesstoß / Thriller
nicht?«
Er war aufrichtig gewesen. Das war sie ihm nun auch schuldig. »Weil ich es so sehr wollte«, antwortete sie. »
Dich
so sehr wollte. Das hat mir Angst gemacht. Und das tut es immer noch.«
»Ich weiß«, sagte er sanft. »Aber wir haben Zeit, allmählich damit umzugehen.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Monitor zu. »Warum müsste ich ihn wiedererkennen?«
Sie zwang sich, sich auf das zu konzentrieren, was zu tun war. »Das ist der Vater eines Mannes, den Jack und du ungefähr vor einem Jahr
fast
verhaftet habt. Er heißt Harvey Farmer. Sein Sohn, Harvey Farmer Junior, wurde allgemein nur V genannt.«
Noah nickte. »Okay, ich erinnere mich an V Farmer. Er hat einen Supermarkt ausgeraubt und den Besitzer erschossen. Dann versteckte er sich bei einem Freund, wo wir ihn aufstöberten. Er floh, und Jack verfolgte ihn. V rannte über einen Highway.«
»Nachts und im Schnee«, fügte Eve hinzu. Nach langer Suche hatte sie Bucklands Artikel im Netz gefunden. »Ein Truck konnte nicht mehr bremsen und überfuhr ihn.«
»Richtig. V war sofort tot. Woher weißt du das alles?«
»Kurt Buckland hat damals über die Beerdigung berichtet. Im Lokalteil.« Sie klickte den Artikel an. »›Harvey Farmer Jr., V für seine Freunde, wurde heute beigesetzt. Das letzte Geleit gaben ihm sein Vater, Harvey Farmer Sr., und sein Bruder Dell Farmer.‹ Den du kennengelernt hast.«
»Den Reporter? Bist du sicher?«
»Du wirst sehen. Buckland hat bei der Beerdigung ein Foto gemacht.« Sie klickte es an, und er sah den Bärtigen am Grab stehen. »Ich denke, der Mann daneben ist Dell, aber man kann sein Gesicht nicht erkennen.«
Eve rief die Software auf, mit der sie ihre Entwürfe designte. Sie hatte Farmer Seniors Gesicht bereits importiert, und obwohl es derart vergrößert sehr körnig war, konnte man die Daten nutzen. »Nimmt man den Bart das Grau und ein paar Falten weg und stellt die Augen dichter zusammen … hat man unseren falschen Reporter. Dell Farmer.«
Noah blinzelte beeindruckt. »Unglaublich. Auf dem Bildchen hätte ich die Ähnlichkeit nie erkannt. So offenkundig ist das doch nicht. Wie bist du darauf gekommen?«
Sein Lob tat ihr gut. »Ich studiere Gesichter. Mich interessiert, warum man manchen Menschen instinktiv vertraut und anderen nicht. Welche Züge uns Angst machen.«
»Und das hast du auch verwendet, als du deinen Avatarladen in Shadowland eröffnet hast.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Warum nicht auch praktischen Nutzen daraus ziehen? Oder halbwegs praktischen?«
»Du hast ihm vertraut. Rob Winters.«
Sie verzog das Gesicht. »Ja. Ich war jung und dumm.«
»Und du sorgst dafür, dass es nie wieder geschieht.«
»So jung werde ich nie wieder sein, und so dumm hoffentlich auch nicht.«
Er sah sie eindringlich an. »Und du wirst nie wieder einem Mann vertrauen?«
»Darum geht es nicht. Ich vertraue dir. Sonst wäre ich nie zu dir in den Wagen gestiegen.«
»Dann traust du dir selbst nicht. Du traust deinem Urteil nicht.«
Sie nickte, erleichtert und traurig, dass er endlich verstanden hatte. »Schräge Logik, ich weiß.«
Er erhob sich. »Ich gebe die Information an Olivia weiter.«
»Du machst dich nicht selbst auf den Weg?«
»Es ist Olivias Fall. Wenn sie meine Hilfe will, dann wird sie mich darum bitten.«
»Ja. Natürlich.« Sie beschäftigte sich mit ihrem Laptop, fuhr ihn herunter und schob ihn in die Tasche. »Könntest du mich zum Präsidium fahren? Dann hole ich Davids Truck ab. Callie arbeitet heute, also bleib ich einfach ein wenig im Sal’s. Einer der Officer wird uns bestimmt nach Hause bringen, also brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Eve.« Seine Augen blitzten entschlossen, aber seine Stimme war noch immer sanft. »Wir gehen jetzt essen. Danach entscheiden wir, was du machst. Gib mir deine Tasche. Ich trage sie schon.«
Er hatte sie verstanden und blieb dennoch. »Mein Kumpel Tom … möchte dich kennenlernen.«
Noahs Augen leuchteten auf. »Cool.« Besitzergreifend legte er ihr einen Arm um die Schultern. »Ist das so, als ob man den Eltern vorgestellt wird?«
»Ja, irgendwie schon, denke ich.«
Mittwoch, 24. Februar, 19.20 Uhr
D och, mir gefällt dein Haus.«
Noah schloss die Ofentür und drehte sich um. Eve saß an seinem Küchentisch und blickte auf ihre Hände. »Und ich mag deinen Freund Tom.«
Sie lächelte. »Und die Tickets für das Sonntagsspiel?«
Er grinste. »Na ja, die sind auch nicht zu verachten.« Dann wurde er wieder
Weitere Kostenlose Bücher