Todesstoß / Thriller
sagte er. »Wie viel brauchst du?«
Abrupt stellte sie den Shaker ab. »Verdammt, ich hasse es, wenn du so nett bist. Warum kannst du nicht einfach ein blöder Chef sein?« Sie spürte einen Kloß in der Kehle und schluckte hart. »Behalte dein Geld. Alles ist gut.«
Er schüttelte den Kopf. »Ist es nicht. Irgendetwas macht dir Sorgen. Das sehe ich an deinen Augen.«
Sie machte den Martini fertig und widmete sich der nächsten Bestellung. »Warum müssen mir auch alle in die Augen sehen?«, murrte sie, Callies Beobachtungen zu Noah Webster noch lebhaft in Erinnerung. Entnervt überlegte sie, wie sie das Thema wechseln konnte, und entdeckte die Ausgabe der
MSP
hinter der Theke. »Jack Phelps war vorhin da, aber er ging wieder, bevor ich ihn wegen des Covers fragen konnte.«
»Wurde er vielmehr weggerufen?«, bemerkte Sal gelassen. »Durch Webster.«
Sie wandte sich um und betrachtete sein Profil. »Woher weißt du das?«
Sein Seitenblick wirkte fast amüsiert. »Ich weiß immer, was in meiner Bar abläuft, Eve. Ich wundere mich nur, warum Webster so lange gewartet hat. Weißt du, es gab sogar Wetten … wie lange Web stillhalten würde, bevor er entweder um einen neuen Partner bitten oder Phelps auseinandernehmen würde.«
Entsetzt stellte Eve fest, dass die Vorstellung einer solchen Auseinandersetzung sie erregte. »Und wer hat gewonnen?«
»Niemand. Webster hat alle Vorhersagen überdauert. Entweder ist der Mann ein Heiliger oder ein Schwachkopf.« Er warf ihr wieder einen Seitenblick zu. »Vielleicht beides.«
Eve dachte daran, mit welchen Worten sich Noah Webster vorhin von ihr verabschiedet hatte. Er hatte sich seltsam resigniert angehört, und es war ihr eher wie ein Lebewohl als ein Dank vorgekommen. »Egal. Ich glaube nicht, dass er noch mal wiederkommt.«
Und so war es am besten. Sie hatte kaum genug Zeit für Uni, Arbeit und Forschung.
Das stimmt nicht.
Es ging nicht um die Zeit, es ging um ihr Herz. Und verschiedene andere innere Organe.
Sal seufzte. »Tut mir leid, Liebes.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ach was.« Sie gab den Martini ins Glas, griff zu den Oliven und stellte erleichtert fest, dass sie leer waren. Sie brauchte einen Moment für sich. »Die Oliven sind alle. Ich gehe welche holen.«
Sonntag, 21. Februar, 21.10 Uhr
Endlich.
Die Hat Squad wusste also, dass es sich um Mord handelte. Lange genug hatte sie dazu ja gebraucht. Drei Morde, sorgsam inszeniert. Bei Martha Brisbane hatten sie es nun tatsächlich erkannt.
Er hätte nicht gedacht, wie sehr ihn die Warterei zermürben würde. Aber so frustrierend es auch gewesen war, so nutzte die Unfähigkeit der Hat Squad doch vor allem seinem Ziel – nämlich sie zu demütigen, zu degradieren und ihren Stand in dieser Gesellschaft ein für alle Mal zu unterminieren.
Ihre Selbstherrlichkeit, die sie wie ihre Dienstmarken, Waffen – und diese Hüte! – ständig präsentierten, sollte wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Er wollte erleben, wie jeder einzelne von diesen selbstgerechten Neandertalern am Boden lag und erkennen musste, was er wirklich war: Ein wertloser Versager.
Nur deshalb hatte er die drei Morde als Selbstmorde inszeniert.
Ihm war klar gewesen, dass sie das erste Opfer nicht als solches erkennen würden, vielleicht nicht einmal das zweite. Sie waren so eifrig darauf bedacht gewesen, den Fall abzuhaken und die Akte schließen zu können, dass sie seine Hinweise übersehen hatten. Er wusste nicht, was sie ausgerechnet jetzt hatte aufmerken lassen – die Indizien oder die Erkenntnis, dass Marthas Fall zu zwei anderen passte. Bald
würden
sie wissen, dass es andere gegeben hatte, und dass ihnen durch ihre eigene Sorglosigkeit zwei Morde entgangen waren.
Jetzt waren sie also schon bei Opfer Nummer drei von sechs, das Spiel war zu Hälfte vorbei.
Sie würden sich selbst die Schuld geben. Wenn sie nur klüger, schneller, kompetenter gewesen wären, hätten sie das erste Opfer als Mordopfer erkannt. Hätten vielleicht die anderen beiden Morde verhindern können.
Sie würden anfangen, sich gegenseitig anzuzweifeln, und während die Zahl der Toten anstieg, würde sich die Illusion der Stärke, mit der sie sich umgaben, in nichts auflösen. Dabei hatte es sie nie gegeben.
Und er würde – gestärkt durch ihre Schwäche – weiterziehen. Er allein würde die Wahrheit kennen, denn sie würden niemals herausfinden, wer die Fassade ihrer Beliebtheit zum Einsturz gebracht hatte.
Aber genug davon. Für den
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