Todesstoß / Thriller
ihn verdutzt an. »Dein Onkel ist ein ehemaliger Polizist.«
»Das ist Brocks Vater, mein Onkel väterlicherseits. Der ältere Bruder meiner Mutter ist Pfarrer gewesen.« Er war nun seit fünf Jahren tot, und Noah vermisste seinen Rat. Vermisste ihn.
»Aha. Also, Brisbanes Mutter weiß etwas. Wir müssen ihr Morgen noch einmal auf den Zahn fühlen. Wenn wir davon ausgehen, dass Marthas Mörder schon einmal getötet hat, dann wird er vermutlich noch einmal zuschlagen.«
»Dann lass uns herausfinden, was Martha und Dix’ Opfer miteinander verbindet, bevor er eine weitere Chance bekommt.«
Sonntag, 21. Februar, 22.55 Uhr
»Lindsay?« Liza Barkley schob den Riegel vor die Eingangstür. Keine Antwort. Sie hatte so sehr gehofft, dass Lin heute Abend kommen würde. Es war nur ein Highschool-Stück gewesen, aber sie hatte hart an ihrer Rolle gearbeitet.
Aber Liza wusste auch, dass ihre Schwester schuftete, um die Miete bezahlen zu können. Und das Gas und die Lebensmittel und alles andere, damit Liza sich ganz auf die Schule konzentrieren konnte.
Schreib gute Noten. Dann bekommst du ein Stipendium.
Sie hatten keine Ersparnisse, um das College zu bezahlen, denn jeder Cent war für die Ärzte draufgegangen, die ihre Mutter dann doch nicht hatten retten können. Auch nach einem Jahr tat der Verlust noch weh.
Ich vermisse dich, Mom.
Und nun putzte Lindsay nachts Büros, damit sie überleben konnten.
Aber eines Tages bezahle
ich
die Rechnungen.
Sie schauderte. Es war so kalt in der Wohnung, dass ihr Atem Wölkchen bildete. Aber Wärme kostete Geld, daher zog sie noch zwei Pullover über, kuschelte sich unter die Decke und stellte den Wecker auf halb sechs. Sie musste noch ein paar Hausaufgaben erledigen, und um diese Zeit würde Lindsay hungrig heimkommen.
Schließlich kann ich gleichzeitig Trigonometrie pauken und Eier braten,
dachte sie, als sie auch schon einschlief.
Sonntag, 21. Februar, 23.30 Uhr
E ve schmiegte sich in ihren Lieblingssessel. Sie war froh, dass Sal sie heute früher nach Hause geschickt hatte. Sie hatte sich in Shadowland eingeloggt und ihren Avatar direkt ins Ninth Circle geschickt, dem Gemeinschaftszentrum dieser Online-Welt. Wie immer war es dunkel, verqualmt und voll.
Desiree, bitte sei doch da. Sei da, wo du immer bist und tu, was du immer tust.
Oder getan hast. Es war eine Woche her, seit Martha Brisbanes Avatar zuletzt im Ninth Circle gesehen worden war. Vielleicht machte Martha im echten Leben Urlaub, aber irgendwie glaubte Eve nicht daran.
Falls Martha nicht bald auftauchte …
dann muss ich etwas unternehmen.
Aber was?
Eve sah sich zur Polizei gehen und eine Vermisstenanzeige für eine imaginäre Person aufgeben, die in einem Computerspiel lebte. Die Cops würden sie für vollkommen bescheuert halten.
Eve zuckte zusammen, als ihr aus dem Ninth Circle der Lärm der computeranimierten Band auf der Bühne entgegenschlug. Diese »Band« war wahrscheinlich im echten Leben ein mittelalter Kerl mit einem Synthesizer, aber schließlich tat er niemandem damit weh. Einige Gamer beschwerten sich über die schamlose AC / DC -Nachahmung, aber sollten diese snobistischen Rockpuristen doch einfach ihre PC -Lautsprecher leiser stellen.
Eve stellte ihre Lautstärke auf stumm. Sie gehörte zu den snobistischen Rockpuristen.
Wann genau bin ich eigentlich … alt geworden?
Vor fünf Jahren, elf Monaten und sieben Tagen.
Dass sie sich zweimal an einem Abend daran erinnerte, machte sie wütend.
Na und? Du hast das alles hinter dir gelassen.
Zum Teil jedenfalls. Meistens.
Nein, hast du nicht, Evie,
flüsterte eine Stimme im hintersten Winkel ihres Bewusstseins.
Besserwisserisches Miststück.
Außerdem war sie nicht mehr Evie. Evie war in Chicago geblieben.
»Ich bin jetzt Eve«, sagte sie laut, um die eigene Stimme zu hören. Es war zu still in ihrer Wohnung. Da sie den Lärm aus dem Ninth Circle abgestellt hatte, war nichts zu hören außer dem permanenten Tröpfeln in die Töpfe, die sie unter die Löcher im Dach gestellt hatte.
Ich muss etwas dagegen tun, bevor ich noch durchdrehe.
Aber ihr Geizkragen von Vermieter ignorierte jede Aufforderung, das Dach endlich reparieren zu lassen. Myron Daulton hatte das Haus von seiner Mutter geerbt, nicht aber die Verantwortung für die darin befindlichen Mieter, die schließlich einer nach dem anderen weggezogen waren. Nur Eve war noch geblieben. Falls es Myron gelang, sie hinauszuekeln, konnte er das Haus endlich loswerden. Immobiliengesellschaften
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