Todesstoß / Thriller
hat, dachte er.
Sein Avatar setzte sich auf den Barhocker neben Christy, und seine langen Beine berührten problemlos den Boden.
Musste auf Geschäftsreise,
schrieb er.
Du weißt schon – Insel kaufen, Hotelkomplex draufsetzen, ein paar Millionen verdienen. Darf ich dir einen ausgeben?
Christys Avatar lächelte wieder.
Oh, gern. Aber nur einen kleinen.
Er chattete ein wenig mit ihr und ließ sie reden. Es dauerte selten länger als ein paar Minuten, bis Christy ihre Online-Persönlichkeit vergaß und sie selbst wurde. Einmal hatte er sich »verplappert« und gestanden, dass er in der Nähe von Minneapolis wohnte. Sie hatte ganz überrascht gesagt, dass sie dort auch zu Hause war.
Natürlich war sie das. Deswegen hatte er sie ja ausgewählt.
Sie hatte ihm schon mehrmals vorgeschlagen, sich zu treffen, aber er hatte sie immer vertröstet. Schließlich hatte er immer noch darauf gewartet, dass Martha gefunden wurde. Doch heute würde er ihr den Vorschlag machen.
Nur zum Plaudern.
Darauf fielen sie immer herein. Jedes Mal. Warum etwas ändern, das so gut funktionierte?
Sonntag, 21. Februar, 21.55 Uhr
»Normalerweise ist Besuch um diese Uhrzeit nicht mehr erlaubt«, sagte die Schwester.
»Tut uns leid. Wir haben länger gebraucht, als wir dachten, um Mrs. Brisbane ausfindig zu machen.«
»Aber wenn sie schläft, müssen Sie morgen wiederkommen. Das sind hier die Regeln.«
»Selbstverständlich«, sagte Noah. Martha Brisbane hatte ihrer Mutter einen hübschen Seniorensitz ausgesucht. Das musste sie eine Menge Geld gekostet haben.
Noah dachte an seine eigene Mutter, die den Winter ihrer wegen Gesundheit in Arizona verbrachte. Mit der Pension seines verstorbenen Vaters und einem guten Teil seines eigenen Lohns hatte er sie ebenfalls recht behaglich untergebracht. Es war natürlich ein finanzielles Opfer, aber sie war seine Mom, und er wollte es nicht anders. Und Martha war es anscheinend ähnlich gegangen.
»Wird die Nachricht vom Tod ihrer Tochter ihr Herz angreifen?«, fragte Noah.
»Vielleicht, wenn sie eines hätte.« Die Schwester seufzte. »Verzeihen Sie, das war unangebracht.« Sie öffnete die Tür, und sie sahen eine Frau, die zwischen der weißen Bettwäsche fast verschwand. »Mrs. Brisbane, diese beiden Männer sind Detectives. Sie möchten mit Ihnen reden.«
Die Augen der alten Frau verengten sich. »Worüber?«, fragte sie scharf.
Noah hatte beim Münzenwerfen verloren und musste die traurige Nachricht überbringen. »Mein Name ist Detective Webster, und das ist mein Partner Detective Phelps«, sagte er so ruhig wie möglich. »Es geht um Ihre Tochter, Martha. Sie ist tot, Ma’am. Es tut uns sehr leid für Sie.«
Mrs. Brisbane verzog den Mund, als hätte sie in etwas Saures gebissen. »Wie ist es passiert?«
Sie waren übereingekommen, den Todesfall so lange als Selbstmord zu deklarieren, bis der Gerichtsmediziner seinen Bericht eingereicht hatte. Dennoch befragten sie bereits Zeugen in der Annahme, dass Dr. Gilles den Mord bestätigen würde.
»Wie es aussieht, hat sie sich selbst umgebracht«, sagte Noah.
»Dann hat sie bekommen, was sie verdient hat. Der Lohn der Sünde ist der Tod, Detective. So einfach ist das.« Und damit schloss Mrs. Brisbane die Augen. Sie waren entlassen.
»Wow«, sagte Jack mit stummen Lippenbewegungen. Dann räusperte er sich. »Ma’am, wir haben ein paar Fragen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Es macht mir aber etwas aus«, fauchte die Frau, ohne die Augen zu öffnen. »Verschwinden Sie.«
»Sie müssen gehen«, sagte die Schwester. Draußen im Flur hob sie hilflos die Schultern. »Und sie war heute sogar noch ziemlich milde gestimmt. »Mrs. Brisbane war ihrer Tochter nicht besonders zugetan«, erklärte sie. »Aber ich weiß nicht, warum es so war.«
»War diese Abneigung denn etwas Neues?«, fragte Noah.
»Nein. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Als Mrs. Brisbane vor einem halben Jahr zu uns kam, war das Verhältnis der beiden schon so.«
»Wann war Martha zum letzten Mal hier?«, wollte Jack wissen.
»Das muss mindestens einen Monat her sein. Wenn Martha ging, wirkte sie meist wie ein geprügeltes Kind. Einmal wollte ich vermitteln, aber Mrs. Brisbane hat sich beschwert, und man hat mich offiziell verwarnt. Ich wünschte, ich wüsste mehr.«
Jack und Noah kehrten zum Parkplatz zurück. »Der Lohn der Sünde ist der Tod«, wiederholte Jack nachdenklich.
»Aus der Bibel, Römerbrief«, sagte Noah. »Mein Onkel war Pfarrer.«
Jack sah
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