Todesstoß / Thriller
Niemand hatte in Zweifel gezogen, dass sie sich aufgehängt hatte. Jedermann war froh gewesen, dass sie endlich weg war. Bedauerlich nur, dass sie das abgelegte Sonntagskleid aus dem Wohltätigkeitsfundus getragen hatte und nicht die Kleidung der Hure, die sie gewesen war. Und dass er damals noch nicht seine Grube gehabt hatte. Es hätte ihm gefallen, auf ihr herumzutrampeln, wann immer er wollte.
Er stellte den Schuh zurück ins Regal und rückte ihn säuberlich zurecht. Die nächsten Schuhe, die hier ihren Platz finden würden, waren die von Rachel Ward, Opfer Nummer fünf von sechs, mit der er für morgen Nacht verabredet war.
Heute Nacht,
verbesserte er sich.
Aber das nächste Opfer in der Grube würde Eve sein. Bald würde er sie hier haben. Er würde sie zum Schweigen bringen und dazu ihre schlimmsten Ängste ausnutzen. Sie war bereits zweimal fast gestorben.
Aller guten Dinge sind drei.
Dienstag, 23. Februar, 4.30 Uhr
Harvey Farmer saß am Küchentisch und trommelte mit den Finger auf der Platte herum, als Dell zurückkehrte. Er sah müde aus. »Wo bist du gewesen?«, fuhr Harvey ihn an.
»Ich bin Jack Phelps gefolgt, wie abgemacht.« In der Stimme seines Sohnes war Trotz zu hören, und Harvey konnte Parfum riechen. Schon wieder.
»Und was hat Phelps gemacht?«
»Ist zu einer Bar gefahren und hat ein paar Stunden draußen darauf gewartet, dass ein paar Typen rauskommen.«
Harveys Brauen hoben sich. Er witterte eine Chance. »Typen? Ernsthaft?«
»Nein, nicht so. Phelps steht ausschließlich auf Frauen. Er hat auf diese Kerle gewartet, weil er ihre Kennzeichen notieren wollte. Wahrscheinlich sind sie verdächtig.« Dell fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Dein Plan bringt nichts.«
»Doch, du musst Geduld haben.« Er fuhr zusammen, als Dell mit der flachen Hand auf den Tisch schlug.
»Ich will keine Geduld mehr haben. Wie lange bist du schon hinter ihnen her und hoffst, dass sie sich selbst ein Bein stellen?«
Harvey schob das Kinn vor. »Seit ich deinen Bruder begraben habe.«
»Und was hat es ergeben? Bisher nichts.«
»Nein, wir haben Unmengen an Notizen. Wir wissen, was sie getan haben, mit wem sie gesprochen haben … Du bist erst drei Wochen dabei.« Durch einen Artikel, der die Mörder seines Sohnes wie Helden gefeiert hatte. Harvey hatte sich über Dells Zorn gefreut. Aber er musste ihn in die richtigen Bahnen lenken, bevor der Junge etwas Dummes tat. »Sie sind an einem wichtigen Fall dran. Sie stehen garantiert unter dem Druck.«
Dell schnaubte. »Die finden doch nicht einmal einen Penner, wenn sie über ihn stolpern.«
»Richtig. Wenn sie keinen Schuldigen finden, suchen sie sich einen Sündenbock.«
»Wie VJ «, murmelte Dell.
»Wie VJ «, wiederholte Harvey. »Hier sind die Bilder, die ich heute von Webster gemacht habe.« Er zog die Speicherkarte aus seiner Kamera. »Lad sie runter zu den anderen, die du von Phelps gemacht hast, und druck sie aus. Wir sehen morgen früh weiter.«
Dienstag, 23. Februar, 6.45 Uhr
»Du bist früh dran«, sagte Jack und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
»Es war viel los heute Nacht. Jemand hat versucht, bei Eve einzubrechen.«
Jacks Augen verengten sich. »Warum hast du mich nicht angerufen?«
»Ich hab’s versucht. Und dir eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Du hast wahrscheinlich fest geschlafen. Wenn die Cops etwas gefunden hätten, dann hätte ich versucht, dich über das Festnetz zu wecken.«
Jack sah sein Handy stirnrunzelnd an. »Ich habe keine Nachricht auf der Mailbox.«
Noah hätte ihm gern gesagt, dass er sich den Unsinn sparen konnte, aber er hatte nicht mehr die Energie dazu. »Vielleicht solltest du dir wirklich ein neues Handy besorgen«, sagte er müde. »Ich habe Micki schon gebeten, sich gründlich rund um Eves Haus umzusehen. Vielleicht findet sie ja etwas. Ist einer davon für mich?«
Auf dem Tisch standen zwei volle Becher aus Jacks Lieblingscoffeeshop. »Eigentlich sind beide für mich, aber du siehst aus, als hättest du das Koffein noch dringender nötig.« Er schob ihm einen Becher hin. »Was ist das?«
»Die Teilnehmerliste von Eves Studie. Ich will sie mit den Selbstmorden der vergangenen Monate abgleichen.«
»Sie hat dir die Liste gegeben?«
»Hat sie. Ich musste kein zweites Mal fragen. Aber bisher habe ich nichts gefunden. Also eine gute Nachricht.«
»Die schlechte lautet, dass die Liste lang ist und wir nicht wissen, wer das nächste Opfer ist.«
»Ganz so schlimm ist es
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