Todesstoß / Thriller
sie glaubte. Vor seinem inneren Auge sah er sich selbst, wie er sich mühsam seinen Weg weg von der Flasche erkämpft hatte. Aus dem Dunkel ins Licht. Um den Dämonen zu entkommen, die ihn in die Finsternis getrieben hatten. Jeden Tag musste er diesen Entschluss erneuern. Jeden Tag wehrte er die verführerische Dunkelheit ab.
Ein Tag nach dem anderen angehen.
Früher fand er solche Worte abgedroschen. Bis er sie begriffen hatte. »Ich verstehe durchaus.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Deshalb trinke ich Tonic Water.«
Sie sog scharf die Luft ein und riss die Augen auf. »Es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht.«
Er strich ihr mit der Hand über den Arm, nur einmal. »Das sollten Sie auch nicht. Aber Sie sind nicht allein, und ich verstehe Sie. Werden Sie weiterhin versuchen, an die Dateien von Shadowland zu kommen?«
»Soll ich das denn?«, fragte sie, und er überlegte. Sie hatte sich für ein Vorgehen entschieden, und wahrscheinlich war sie bereit, dafür eine Menge zu opfern. Doch im Augenblick lag ihm mehr daran, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Und sie nicht ins Gefängnis zu bringen.
»Ich will vor allem diesen Killer aus dem Verkehr ziehen, bevor er noch jemanden tötet. Sie eingeschlossen. Allerdings will ich auch nicht das Gesetz brechen. Jack hat recht. Wir können vor Gericht nichts verwenden, das auf illegale Weise beschafft wurde. Wir würden ihn vielleicht schnappen, müssten ihn aber wieder laufen lassen. Und, Eve … wenn Sie etwas Illegales tun, kann ich Sie auch nicht schützen.«
»Nein, das hätte ich auch nicht erwartet.« Plötzlich drehte sie sich um und sah zu ihm auf. Ihr Blick war intensiv, die Augen fast schwarz. Er hätte sich nicht abwenden können, selbst wenn er es gewollt hätte. »Soll ich aufhören?«
Das Verlangen durchströmte ihn wie eine Flut. Noah ballte die Hände zu Fäusten, um sich zurückzuhalten.
Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, Webster. Konzentriere dich.
»Sind Sie denn schon nah dran?«
Ihre Augen leuchteten auf. Sie spürte es auch. »Ja, sehr.«
Er lenkte seine Gedanken auf Martha, Christy, Samantha. Eve war in diese Sache hineingezogen worden, weil sie nicht wegschauen konnte und wollte. Dann dachte er an die Liste und an die Namen und fragte sich, wer wohl die Nächste sein würde, weil der Killer verdammtes Spiel spielte. »Nein«, flüsterte er heiser. »Dann sollten Sie jetzt nicht aufhören.«
Sie schien sich zu entspannen. »Also gut. Ich rufe Sie an, wenn ich etwas finde, das vielleicht nützlich sein könnte.«
Vorsichtig hob er die Hand, um ihre Wange zu berühren. »Vorhin im Bistro …«
Ihre Wange wurde flammend rot unter seinen Fingerspitzen. »Es wird nicht wieder geschehen.«
»Doch, wird es. Aber dann spielen wir nicht. Keiner von uns.« Er ließ die Hand sinken und trat einen Schritt zurück. »Ich muss jetzt gehen.«
Sie nickte verunsichert. »Vergessen Sie Ihren Hut nicht.«
Noah nahm den Hut vom Bücherregal, wo er ihn vergangene Nacht hatte liegen lassen. Fragen schwirrten ihm durch den Kopf, zu viele, um sie alle stellen zu können. Doch sie hatte ihm die Tür zu ihrem Leben geöffnet, und wenigstens etwas musste er fragen, bevor sie sie wieder schloss. »Ich habe nachgelesen, was Ihnen vor sechs Jahren zugestoßen ist. Aber ich habe nichts über den Grund finden können. Warum hat dieser Mann versucht, Sie umzubringen?«
»Um an seine Frau und seinen Sohn heranzukommen. Sie waren weggelaufen, weil er sie jahrelang misshandelt hatte. Ich kannte die beiden gut, und ich liebte sie. Am Anfang wusste ich nicht, wer er war, aber schließlich konnte ich es mir denken. Ich hatte Angst, dass er Caroline und Tom finden und ihnen erneut das Leben zur Hölle machen würde.«
»Er wollte verhindern, dass Sie die beiden warnen?«
»Auch, ja. Aber er hatte eine Pistole. Er hätte mich also nur erschießen müssen. Das wäre fast barmherzig gewesen. Aber er tat es nicht.« Sie schluckte wieder. »Stattdessen stach er auf mich ein. Achtmal. Schlitzte mein Gesicht auf. Filetierte meine Hand. Und dann hat er mich gewürgt.«
»Weil es ihm Vergnügen bereitet hat«, sagte er grimmig.
»Ja.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und ihre Körpersprache war eindeutig. »Ich kenne die Art von Ungeheuer, die Sie suchen, Noah. Ich habe meinem in die Augen gesehen, während er den Draht um meinen Hals enger zog. Ihr Mörder wird nicht aufhören. Nur wenn Sie ihn dazu zwingen.«
»Und Sie?« Es kostete ihn Mühe,
Weitere Kostenlose Bücher