Todesstoß / Thriller
Veränderungen mit Hilfe der User-Daten der Opfer vorgenommen. Aber beide Avatare sind auf die gleiche Art verändert worden. Wenn man nur tief genug gräbt, ist die Grafik auch nur eine Befehlsreihe. Und der Code wird holprig, wo er ihn verändert hat.«
»Holprig.« Er grinste. »Er ist also ein Amateur?«
»Vielleicht. Sein Code funktioniert – das Gesicht des Avatars wird verändert. Aber ein Profiprogrammierer hätte dies eleganter gelöst.«
»Jetzt klingst du wie Ethan«, bemerkte David. »Das Wort elegant benutzt er gern.«
»Ethan hat mir eine Menge beigebracht«, sagte sie vorsichtig. Davids Liebe zu Dana hätte bedeuten können, dass er Ethan hasste, aber Eve wusste, dass dem nicht so war. Dennoch wollte sie Ethan, der Dana glücklich und David unglücklich gemacht hatte, nicht mit allzu viel Lob überschütten.
»Zum Beispiel, wie man virtuell in fremde Systeme eindringt. Wofür du im echten Leben in den Knast kommen kannst.«
»Jetzt klingst du wie Noah«, meinte Eve.
»Dessen Hut nicht mehr in deinem Bücherregal liegt.«
Gereizt blickte sie auf den Bildschirm. »Hast du alles gekriegt, was du brauchst, um das Dach zu reparieren?«
»Ich hab’s bestellt. Nach drei Uhr ist alles da. Ich kann dich mitnehmen, wenn du deinen Wagen holen willst.«
»Danke. Ich gebe dir das Geld natürlich wieder.« Sie hatte genug auf Seite gelegt. Hoffte sie zumindest.
»Miss Krösus«, spottete er freundlich. »Ich übernehme das schon. Aber letztlich hilfst du bloß deinem Vermieter. Wenn er dich rauswirft, ist das Dach trotzdem repariert.«
»Aber er wird dadurch auch feststellen, dass er die Leute nicht nach Lust und Laune herumschubsen kann.
Ich
lasse mich nicht herumschubsen.« Dann verstand sie. »Du hilfst mir, weil du auch nicht willst, dass er mich herumschubst.«
»Richtig. Zu viele Leute haben das schon getan«, sagte er leise. »Du hast dich aus etwas befreit, das die meisten Menschen zu Wracks gemacht hätte. Ich bin stolz auf dich.« Ihr wurde die Kehle eng, und sie fand keine Worte, aber sie wusste, dass er sie verstand. »Mach weiter mit deinem virtuellen Raubzug. Aber ich will, dass du Webster eine Chance gibst. Das ist mein Preis für die Reparatur deines Dachs.«
Er ließ sie allein, aber Eve konnte sich nicht mehr konzentrieren. Sie sah Noahs Gesicht vor sich, das sie so besorgt in der Fensterscheibe betrachtete.
Deshalb trinke ich Tonic Water.
Welche Umstände hatten wohl dazu geführt, dass er heute ein trockener Alkoholiker war?
Sie schalt sich, dass sie vorhin nicht rücksichtsvoller gewesen war. Und eine Sekunde lang erlaubte sie sich, noch einmal zu spüren, wie seine Lippen geschmeckt, wie gut es sich angefühlt hatte, als sich seine Arme eng um sie schlossen.
Aber ihm eine Chance geben? Nein. Nicht einmal für David. Sie wollte niemandem wehtun – Noah nicht und auch keinem anderen netten Burschen, der sich eine Zukunft wünschte. Denn letztendlich würde es keine geben.
Jedenfalls nicht mit mir.
Das war Eves Realität.
Sie blinzelte, um wieder klar sehen zu können. Um Noahs willen musste sie sich vorsichtig im Netz bewegen. Nachdem er gegangen war, hatte sie Ethan angerufen und unter seiner Anleitung Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, damit sich ihre Online-Bewegungen nur schwer zurückverfolgen ließen. Aber ShadowCo konnte sie dennoch finden, und falls das geschah, würden die Verantwortlichen vielleicht Noah die Schuld geben.
Das wollte sie nicht zulassen, denn Noah leistete gute Arbeit. Es musste eine Möglichkeit geben, das Monster aufzuhalten. Nur zu wissen, dass der Mörder in Shadowland herumlief und in das Avatardesign seiner Opfer eingegriffen hatte, reichte nicht. Sie musste ihn dazu bringen, in der realen Welt sein Gesicht zu zeigen. Der Typ war verdammt klug und ihnen bisher immer einen Schritt voraus.
Ich muss eben einfach noch klüger sein.
Dienstag, 23. Februar, 14.30 Uhr
Liza schlich aus dem Notausgang. Es war das erste Mal, dass sie die Schule schwänzte. Doch es war bloß ein Vortrag, bei dem ein Sportfreak irgendeinen Quatsch aus seinem Leben erzählte. Es machte sie wahnsinnig, Zeit zu vergeuden, in der sie Lindsay suchen konnte, also verschwand sie lieber.
»Hey, Kleine, hast du Feuer?«
Sie fuhr erschreckt herum. Ein Junge stand an der Tür, die Hände in die Hosentaschen, die Schultern vorgeschoben. »Nein, tut mir leid.« Mit unsicheren Schritten setzte sie sich in Bewegung. Zu wenig Schlaf und zu wenig Nahrung forderten ihren Tribut. Sie hatte
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