Todesstunde
die sich schwer abschütteln ließen.
Sich mit diesen Dingen zu beschäftigen barg große Gefahren in sich, wie ich wusste. Die Landmine aus Gefühlen, die ich nach dem Tod meiner Frau eingegraben hatte, wurde gefährlich groß, und in dieser Weise über Mary Catherine nachzudenken war, als würde ich genau über diese Mine laufen. Ich tat es dennoch. Natürlich. Jeder Polizist hat zumindest leichte Selbstmordtendenzen.
So schwer es auch war, ich musste zur Sache kommen. Also rieb ich meine Augen, um mich zu stählen, und schlürfte etwas Kaffee, bevor ich die Fallakte wieder aufschlug und ins Land der Toten zurückkehrte.
Ich las alles gründlich durch. Am meisten interessierte mich die Verbindung zwischen Berger und Apt. Warum hingen sie zusammen? War es so ein Kultding, wie Emily vermutete? Können zwei Menschen einen Kult begründen?
Mary Catherine kam nach einer Weile heraus und füllte meinen Becher nach. Leider hatte sie sich auch umgezogen.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen.« Ich lächelte. »Ich bin dir dankbar, dass du die Bestien in Schach hältst. Apropos, warum ist es so ruhig?«
»Die Älteren sind zu einem Feuerwerk gegangen, und die Zwerge spielen mit Seamus Minigolf. Sie bringen auf dem Rückweg Pizza mit.«
»Wir sind alleine? Hey, worauf warten wir?« Ich erhob mich. »Ich hole das Bier, und du setzt dich.«
Sie legte eine Hand auf meine Brust. »Nicht so eilig, du Lahmarsch. Ich habe die Kinder weggeschickt, damit du in Ruhe arbeiten kannst. Du musst einen Verbrecher fangen und dir den Rest dieser nur noch kurzen Ferien frei nehmen. Im Moment würde ich den Kerl am liebsten selbst fangen, damit du eine Pause machen kannst. Ich habe das Gefühl, ich arbeite hier nur, um auf dich aufzupassen.«
»Warum bist du so nett zu mir?«, fragte ich.
Ihr Lächeln erleuchtete die Terrasse. »Ja, das ist komisch. Das frage ich mich auch immer.«
Nur widerwillig machte ich mich an meine widerliche Lektüre. Während ich über der Fallakte brütete, überkam mich wieder das Bedauern darüber, nicht verhindert zu haben, dass die Presse von Bergers Tod erfahren hatte. Wenn Apt wirklich einer Gehirnwäsche unterzogen worden war, hätten wir diesen Umstand nutzen können, um ihn zu ködern.
Doch hatten wir die Chance jetzt verpasst? Was wäre, wenn wir eine Art Gedenkfeier veranstalteten? Vielleicht im Central Park gegenüber von seinem Haus. Eine Möglichkeit für seine Familie und Freunde, sofern er welche hatte, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Ein paar Minuten später klingelte das Telefon in der Küche. Ich wollte nicht wissen, wer es war. Vielleicht der Polizeipräsident. Auf jeden Fall jemand, der in der Position war, mir noch mehr Verantwortung übertragen oder mich bestrafen zu dürfen. Ich war auf keins von beidem scharf.
Es stellte sich heraus, dass ich falsch lag. Es war noch viel schlimmer.
»Da ist eine Frau vom FBI dran«, rief Mary Catherine stark abgekühlt vom Hintereingang aus.
Ich setzte mich auf, als wäre ich bei etwas Bösem erwischt worden. »Äh«, brachte ich nur heraus. Ich hatte vergessen, dass ich Emily die Nummer von unserem Strandhaus gegeben hatte, falls der Akku meines Mobiltelefons den Geist aufgäbe.
»Geh schon ran, Mike«, drängte Mary Catherine. »Die tut schon ganz vernarrt am anderen Ende. ›Ist Michael da? Könnte ich bitte mit ihm sprechen? Sind Sie es, Mary Catherine?‹.«
»Hallo«, meldete ich mich am Telefon in der Küche.
»Ich hoffe, ich störe nicht, Mike.«
»Wie kannst du nur so was denken«, sagte ich. »Was gibt’s, Emily?«
»Du weißt ja, dass wir Schwierigkeiten hatten, Apt in den Datenbanken ausfindig zu machen. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum. Ich wurde gerade von einem befreundeten Agenten bei der Antiterroreinheit angerufen. Seine Cousine könnte Informationen zu Apt haben. Sie will sich mit uns am Montag treffen.«
»Warum kann seine Cousine mit uns nicht am Telefon sprechen?«
»Sie arbeitet beim Geheimdienst, Mike. Als bräuchten wir in diesem Fall noch mehr Heimlichtuerei. Aber offenbar hat der CIA jetzt was damit zu tun.«
86
Im Hintergrund spielte ein Klavierkonzert von Gershwin. Apt schob sich eine Erdnuss in den Mund, sein Whiskey Smash, ein 19-Dollar-Cocktail, stand unangetastet auf der schwarzen Granittheke vor ihm. Er saß in der Bemelman Bar im luxuriösen Carlyle Hotel auf der Madison Avenue nur ein paar Straßen von Lawrence’ Wohnung entfernt. Carl wusste, dass es riskant war herzukommen, doch es war
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