Todestanz
»Graveyard de Wet, der 27er-General?«
»Du kennst ihn?«
»Ich habe heute mit seiner Tochter Pearl gesprochen.« Clare tunkte einen frischen Wattepad in die Desinfektionslösung. »Sie hat mir erzählt, dass sie etwas über Yasmin gehört hätte. Gerüchte. Sie versucht, mehr in Erfahrung zu bringen.«
»Warum macht sie das?«
»Sie hat ein Herz für kleine Mädchen«, sagte Clare. »Weil niemand eins für sie gehabt hat. Pearl hatte nie eine Chance, schlieÃlich war ihr Vater ein 27er. Er vergewaltigte ihre Mutter, als die fünfzehn Jahre alt war, und zeugte dabei Pearl. Sie hatte damals keinen Kontakt mit ihm; trotzdem bekam sie den gesamten Zorn ihrer Mutter zu spüren. Als Pearl zwölf war, wurde De Wet aus dem Gefängnis entlassen. Sie wollte unbedingt ihren Heldenvater kennenlernen, über den alle redeten, und bettelte ihre Mutter an, sie zu ihm zu lassen. Er vergewaltigte Pearl gleich bei ihrem ersten Besuch. Als ihr eigenes kleines Mädchen geboren wurde, hat sie das Baby weggegeben, um es zu schützen.«
»Er ist tot«, erklärte er Clare, die ihre Reinigungsarbeiten wieder aufgenommen hatte. »Das habe ich nachgeprüft, als ich das mit der Waffe erfahren habe. Er ist letzte Woche gestorben. Eines natürlichen Todes.«
»Hoffentlich kann Pearl jetzt aufatmen«, sagte Clare. »Sie
hatte schon ein paar Gerüchte gehört. Hauptsächlich über Voëltjie Ahrend, dass er Schulden hat und dass jetzt alles wieder aufgerührt wird. Sie wollte mehr darüber herausfinden.«
»Voëltjie Ahrend«, sagte Riedwaan. »Er nutzt Graveyard de Wets Ruf, um selbst nach oben zu kommen. Er ist skrupelloser als jeder 27er und gibt sich als General aus, aber um diesen Rang zu verdienen, hätte er viel länger im Gefängnis sein müssen.«
»Wie kommtâs, dass du noch am Leben bist, obwohl du es auf einen Kampf abgesehen hattest?«
»Eine Frau von der Nachbarschaftswache â ich hatte mit ihr gesprochen, bevor ich in Ahrends Haus gegangen bin ⦠Sie hat gesehen, wie ich ins Gebüsch geschleift wurde. Weil sie keine Schüsse gehört hatte, hat sie abgewartet, bis es dunkel wurde, und ist mich dann suchen gegangen.« Er streckte die Hand- und FuÃgelenke vor, um Clare zu zeigen, wo der Draht in seine Haut geschnitten hatte. »Sie hat mich losgebunden, mich wieder zu Bewusstsein gebracht und mich dann zu meinem Motorrad geführt. Irgendwie habe ich es danach bis hierher geschafft.«
»Wenn dich die Frau nicht gefunden hätte, wärst du jetzt tot. Es sei denn, sie wollten dich überleben lassen. Wobei sich dann die Frage nach dem Warum stellt. Inwiefern kann ihnen dein Ãberleben nützen?« Clare holte ein Schottersteinchen aus seiner Wange. Es klackerte ins Waschbecken.
»Das war ein richtiger Brocken«, bemerkte Riedwaan.
»Ohne das Blut siehst du schon besser aus, wenn auch nur unwesentlich.« Clare verpflasterte die schlimmsten Wunden. »Meinen Ruf«, seufzte sie. »Den kann ich vergessen, nachdem ich mit dir zusammengearbeitet habe.«
»Wie meinst du das?«, fragte Riedwaan.
»Das war das andere Gerücht. Dass ein paar Polizisten etwas mit Yasmins Verschwinden zu tun haben könnten. Du
weiÃt schon, um den Fall, an dem du zurzeit arbeitest, versanden zu lassen â die Ermittlungen gegen Ahrend und die 27er. So etwas passiert ständig bei irgendwelchen Ermittlungen.«
»Mit der Polizei ist es hier wie in Amerika«, stellte Riedwaan fest. »Alle tun so, als würden sie uns hassen, aber sobald jemand Hilfe braucht, werden wir angerufen, und dann kann es gar nicht schnell genug gehen. Jeder hat eine genaue Vorstellung davon, wie wir sind und wie wir sein sollten â sogar unsere eigenen Bosse. Nur dass sich diese Vorstellung alle paar Wochen ändert, je nachdem, wie sich die öffentliche Meinung dreht. Es ist schon okay, Vorurteile gegen uns zu haben, aber es müssen andere sein. Deine sind die falschen.«
»Welche sind falsch?« Clare wusch sich die Hände.
»Dass wir alle die Hand aufhalten. Oder dass die Hälfte von uns kaputt genug ist, um in einem total idiotischen Rachewahn unsere gesamte Familie auszulöschen. Oder wegen eines fehlgeleiteten Erlöserkomplexes â so hat es die Psychotante ausgedrückt, zu der ich musste.«
»Und du, hast
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