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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Tafelbucht, der weiße Sandstreifen, der chaotische Hafen, die Umrisse des Tafelbergs. Sie fuhr die Hauptstraßen, die Nebenstraßen, die leeren Flächen nach. Parks, Felder, Müllkippen, Flussufer, die sie mit roten Stecknadeln markiert hatte.
    Â»Glaubst du, es ist immer derselbe Mann?«, fragte Riedwaan.
    Â»Es gibt bei allen Fällen Parallelen. Einsame, isolierte Kinder. Sehr jung. Alle verschwanden, ohne dass es sofort jemandem aufgefallen wäre.«
    Â»Sonst noch was?« Seine professionelle Distanz zu dem, was er da sah, war auf Haaresbreite zusammengeschrumpft.
    Â»Die Verletzungen.« Clare atmete tief durch. Professionell war gut; es war besser, als diesen Mann anzusehen und sich bewusst zu machen, dass sie über sein einziges Kind sprachen. »Ihre Füße«, erläuterte sie. »Die Fußsohlen waren voller Risse, und zwar frischer Risse. So, als wären die Mädchen über steiniges Gelände gerannt. Drei davon hatten nur einen Schuh an, als sie gefunden wurden.« Sie sah nachdenklich auf die Karte der Fundorte. »Ein Jäger. Er wartet, bis sich seine Beute müde gelaufen hat. Zieht dem Kind einen Schuh wieder an und lädt es dann ab. Den anderen Schuh behält er.«
    Â»Ein memento mori« , schloss Riedwaan. »Wie eine Reliquie.«
    Â»Der Fachbegriff lautet Trophäe.« Dann fast flüsternd: »Das
ist so intim, der Schuh eines Menschen. Er verrät dir alles – und nichts.«
    Riedwaans Finger betastete die einzelne Nadel am Fuß des Tafelbergs.
    Â»Für Yasmin?«
    Clare nickte.
    Er zog das Handy aus der Tasche. »Hör dir das an«, und dann drehte er die Lautstärke auf. Der Wind in den Bäumen, das Rauschen des vom Berg herabströmenden Wassers, das Zischen eines vorbeirollenden Autos, das schwache Echo vorbeischwebender Klavierakkorde – eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Schwach wie ein Pulsschlag.
    Â»So hört er sich an«, sagte Riedwaan, als die Aufnahme verstummt war. »Der Ort, an dem sie verschwunden ist. Man sollte meinen, es gäbe mehr zu hören, nicht wahr?«
    Clare durchlebte schweigend die Geräusche dieses Ortes.
    Â»Sag es mir. Was übersehe ich?« Riedwaan fuhr mit den Fingern über die Stecknadeln in Clares Karte. »Warum kann ich sie nicht sehen?«
    Noch einmal spielte er Yasmins Nachricht ab. Der Klang ihrer Stimme war die schlimmste Folter.
    Â»Geräusche können genauso intim sein wie Berührungen«, sagte Clare.
    Â»â€ºSicheres Gebiet‹.« Riedwaan schälte ein Post-it von Clares Karte. »Östliches Stadtzentrum, Salt River, Maitland. Ich würde diese Stadtteile nicht so bezeichnen.« Er sah sie an. »Hat das etwas zu bedeuten? Hat das etwas mit meiner Tochter zu tun?«
    Â»Das sichere Gebiet.« Clare wandte den Blick von seinem zerschundenen Gesicht ab. »Dort fühlt sich der Killer am sichersten, es ist der Bereich um seine Wohnung oder um das Loch, in dem er haust.«
    Â»Die Gegend, aus der laut Rita der Anruf kam.« Riedwaans Stimme brach.

    Clare fiel nichts ein, was sie hätte sagen sollen, darum hob sie die Hand, um die Muskeln glatt zu streichen, die über seinen Schulterblättern zu dicken Kabelsträngen verknotet waren. Aber Riedwaan legte die Hände auf Clares Hüften und schloss die Handfläche über dem scharf hervorstehenden Knochen. Dann zog er sie zu sich her, bis ihr Kopf auf seinem Herzen zu liegen kam. Die Wärme seines Körpers durchdrang die dünne Seide ihrer Bluse.
    Â»Ein Kaffee«, sagte Clare. »Der würde jetzt helfen.«
    Einen Herzschlag lang Stille. Dann löste sie sich aus seinem Griff, entzog sich ihm und schloss die Tür hinter sich.



Dreiunddreißig
    Der Installateur war Frühaufsteher und darum schon angezogen und bei der zweiten Tasse Kaffee, als es an der Tür klingelte.
    Â»Entschuldige, Jimmy, dass ich so früh störe.« Die alte Witwe von nebenan.
    Â»Heute arbeite ich zwar nicht, aber dafür steige ich auf den Lion’s Head. Und warum bist du so früh auf, Tantchen?«
    Â»Mich hat der Gestank geweckt. Ich glaube, mein Abfluss ist verstopft. Dann habe ich gesehen, dass bei dir schon Licht brennt, und da habe ich mir gedacht, dass Jimmy vielleicht mal nachsehen kann.«
    Â»Schon gut, ich komme gleich rüber.«
    Sie brachte ihre Zeit hauptsächlich damit zu, die Nachbarschaft im Auge zu behalten. Sonst

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