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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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sei unpassend, und legte dieselbe klassische Musik auf, die wir gestern gehört hatten.
    Doch dann fragte er mich plötzlich besorgt, ob ich jetzt sehr traurig sei. Das war total peinlich. Ich trauere genau wie alle anderen. Weder mehr noch weniger. Außerdem habe ich mich noch nie irgendeinem Lehrer anvertraut. Warum sollte ich das ausgerechnet jetzt tun?
    Aber wir hätten lieber die Rockmusik anhören sollen, die Mikaela gefallen hatte, und das sagte ich Herrn Lundström auch.
    Auf dem Heimweg kaufte ich wieder die beiden Abendzeitungen. Aber viel schlauer machte mich das nicht. Die Techniker und der Gerichtsmediziner hatten ihre Arbeit noch nicht beendet. Sie wollten sich nicht einmal zu den Gerüchten über grobe Gewalt äußern. Auch nicht darüber, was im Wald gefunden worden war.
    In Ermangelung neuer Fakten schrieben die Zeitungen über einen „Vorort in Angst und Schrecken“ und behaupteten, in unserer Gegend wären alle voller Panik, der Mörder könnte wieder zuschlagen.
    Auf diese Idee war ich bisher nicht gekommen, aber jetzt nistete sich der Gedanke in meinem Kopf ein. Womöglich lauerte irgend so ein kranker Typ draußen im Gebüsch auf ein neues Opfer! Einer, der es nur auf junge Mädchen aus unserem Wohnviertel abgesehen hatte.
    Wenn das zutraf, hatte ich schlechte Karten.
    Dummerweise konnte ich mich nicht gut im Haus versteckt halten, bis die Polizei den Mörder erwischt hatte. Ich musste in die Schule, und meinen Hund musste ich auch ausführen, drei Mal täglich sogar. Morgens und nachmittags ging das ja noch, aber selbst einer Kämpfernatur wie mir wurde bei dem Gedanken an den späten Abendspaziergang etwas mulmig zumute, falls draußen tatsächlich ein irrer Mörder gezielt auf mich warten sollte.
    Ich bereute es, den Artikel gelesen zu haben, und versuchte die bedrückenden Gedanken abzuschütteln. Solches Zeug schrieben die Zeitungen eben, wenn sie mit keinen neuen Fakten aufwarten konnten. Eine Art Hetzjagd auf Berichtenswertes entstand, wenn die eigentliche Nachricht bereits total ausgequetscht worden war.
    Auf dem Schulhof wurden immer wieder Schüler interviewt und fotografiert, doch als die Journalisten an mich herantraten, behauptete ich, Mikaela nicht gekannt zu haben. Offenbar waren sie auch in unserer Wohngegend unterwegs gewesen und hatten die Leute ausgefragt.
    Gegen unheimliche Ängste gibt es kein besseres Heilmittel als Hausaufgaben. Ich setzte mich an den Computer, um den Aufsatz für Geschichte in Angriff zu nehmen, kam aber nicht so recht voran.
    Die Sonne senkte sich hinter den Baumwipfeln und färbte sie leicht rötlich. Ein kleiner Schwarm Mücken tanzte vor meinem Fenster auf und ab, während ich etwas über die Überreste aus der Steinzeit, die sich in unserer Gegend befanden, zusammenzuschustern versuchte. Der einzige Überrest aus der Steinzeit, den ich je gesehen habe, ist die alte Frau Gröön. Sie ist fünfundachtzig und fährt auf einem Moped durch die Gegend, das wie Trashmetal klingt.
    Plötzlich gab der Computer einen Pieps von sich. Eine Nachricht.
    Von Linus!
    „Darf ich dich und Wuff begleiten?“
    „Jaaa!“
    Wuff fuhr hoch, als ich aufschrie, und begann wie wild unter lautem Gebell herumzurasen. Meine Finger tanzten bereits über die Tasten.
    „O. k. Heute Abend um sieben.“
    Irgendwie gelang es mir, den Aufsatz zusammenzubasteln: viel Geschwafel und ein paar Fakten, die ich in einem Buch gefunden hatte.
    Es war Zeit fürs Abendessen, aber Mama hatte sich den ganzen Nachmittag noch nicht blicken lassen. Aus ihrem Atelier kam leise Musik, ein klassisches Stück, das sie oft laufen lässt, wenn sie inspiriert ist. Also würde ich mir mein Essen aus der Tiefkühltruhe herausgraben müssen.
    Ich fand eine Portion Lasagne, die ich in der Mikrowelle aufwärmte und vor dem Fernseher verdrückte.
    Nachdem Wuff ihr Trockenfutter verschlungen hatte, war es Zeit für den Abendspaziergang. Draußen auf der Straße wartete Linus schon auf uns. Mein Herz machte einen Extrahüpfer, aber ich ließ mir nichts anmerken, nickte bloß kurz.
    Zuerst nahm ich an, er wolle wieder beobachten, welche Autofahrer den Holperweg benutzten. Ich hätte nicht protestiert, obwohl ich es momentan nicht für sinnvoll hielt. Seit Mikaela im Wald gefunden worden war, wimmelte es dort von Menschen, die eine Blume hinlegen oder eine Kerze anzünden wollten.
    Als er nichts dergleichen vorschlug, überließ ich Wuff die Führung.
    „Gibt’s was Neues von Glöckchen?“, fragte

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