Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
im Monat in seinem Pub versammelt. Ich bin kein Vereinsmensch und habe, auch weil ich formell gesehen noch nicht geschieden bin, die meisten Treffen versäumt, aber ich spiele in der Ü-35-Fußballmannschaft der Kneipe. Wir sind insgesamt fünfzehn Männer – eine Zahl, die häufige Auswechslungen erlaubt und so vermeidbare Herzinfarkte verhindert. Ich spiele in der Abwehr. Rechter Verteidiger. Die Offensive überlasse ich den jüngeren und schnelleren Männern. In meiner Fantasie sehe ich mich eher in der Rolle eines klassischen Liberos kontinentaleuropäischer Prägung, der mit präzisen langen Bällen die gegnerische Deckung aufreißt.
Wir haben Spitznamen. Ich bin aus naheliegenden Gründen als »Dr. Psycho« bekannt. »Pranke« ist unser Torwart – ein Pilot im Ruhestand, der einen Hirntumor hatte –, und unser
Torjäger, Jimmy Monroe, wird »Marilyn« genannt (allerdings nur hinter seinem Rücken). Die Jungs sind ganz in Ordnung. Niemand fragt nach meiner Krankheit, die bei einigen meiner Fehlschüsse offensichtlich wird. Nach dem Spiel pflegen wir im Fox & Badger unsere Wunden und tauschen persönliche Geschichten aus, ohne irgendwas preiszugeben. Wir vertrauen uns einander nicht an. Wir enthüllen keine privaten Gefühle. Wir sind Männer.
Ich leere meinen Whisky und bestelle einen zweiten, an dem ich nur hin und wieder nippe. Um elf kündigt Hector die letzte Runde an. Mein Handy klingelt. Es ist Julianne. Ich frage mich, was sie so spät noch macht.
Ich drücke auf die grüne Taste und versuche, eine clevere Bemerkung anzubringen, aber sie schneidet mir das Wort ab.
»Komm schnell! Es geht um Sienna! Irgendwas ist passiert! Sie ist voller Blut!«
»Blut?«
»Ich konnte sie nicht aufhalten. Wir müssen sie finden.«
»Wohin ist sie gegangen?«
»Sie ist einfach weggelaufen.«
»Alarmiere den Notruf. Ich komme.«
Ich nehme meinen Mantel von dem Holzhaken, öffne die Tür und laufe, noch während ich in die Ärmel schlüpfe, langsam los. Das Pflaster des Bürgersteigs ist rissig und uneben. Den Mill Hill hinunter nehme ich Tempo auf und lasse mich von der Schwerkraft in langen Schritten tragen, die meinen ganzen Körper erschüttern.
Julianne wartet vor dem Haus und schwenkt panisch eine Taschenlampe.
»In welche Richtung ist sie gelaufen?«
Sie zeigt zum Fluss und sagt mit brechender Stimme: »Sie hat geklingelt. Als ich sie gesehen habe, habe ich geschrien. Ich habe sie bestimmt erschreckt.«
»Hat sie irgendwas gesagt?«
Julianne schüttelt den Kopf.
Die Tür steht offen. Ich sehe Charlie auf der Treppe sitzen, die ihr Kopfkissen umklammert. Unsere Blicke treffen sich, und ein wortloser Austausch geschieht. Ein Versprechen. Ich werde Sienna finden.
Ich drehe mich um und will gerade losgehen, als Julianne sagt: »Ich komme mit.«
»Warte lieber auf den Krankenwagen. Und schick Charlie zurück ins Bett.«
Ich nehme ihr die Taschenlampe aus den kalten Fingern und gehe zum Tor. Der Fluss liegt etwa achtzig Meter entfernt zwischen den Bäumen verborgen. Ich schwenke die Taschenlampe hin und her und spähe über die Hecke auf das angrenzende Feld.
Als ich die kleine Steinbrücke und einen breiteren Betondamm erreiche, rufe ich Siennas Namen. Die Straße – einspurig, unbefestigt und von Hecken gesäumt – führt aus dem Dorf hinaus.
Warum ist sie weggelaufen? Warum in diese Richtung?
Ich denke die ganze Zeit daran, wie ich sie abgesetzt habe. Der Freund. Sie ist in seine Arme gesprungen. Vielleicht hatte sie einen Unfall. Vielleicht ist er auch verletzt.
Abendtau glitzert im Licht der Taschenlampe, das lange Schatten zwischen den Bäumen wirft. Auf der Brücke bleibe ich stehen und lausche. Wasser rauscht über Steine, ein Hund bellt, andere stimmen ein.
»Sieeeeeenna!«
Der Ruf prallt am Bogen der Fußgängerbrücke ab und scheint an den Ufern des schmalen Stromes widerzuhallen. Er wird Fluss genannt, aber an manchen Stellen kann man von einem zum anderen Ufer springen. Emma fängt hier kleine Fische, und Gunsmoke kühlt sich in seinem Wasser ab, wenn er Hasen gejagt hat.
Noch einmal rufe ich Siennas Namen und habe das schreckliche
Gefühl, von der Vergangenheit eingeholt zu werden. Vor zwei Jahren bin ich dieselbe Straße hinuntergelaufen, habe Charlies Namen gerufen und über Hoftore und Zäune gespäht. Sie wurde von einem Mann von ihrem Fahrrad gestoßen und entführt. Er kettete sie an ein Waschbecken, wickelte Klebeband um ihren Kopf und ließ sie nur durch einen
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