Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
lautlos und gleichmäßig sämtliches Licht. Ellis darf nicht davonkommen. Er darf nicht noch ein Leben zerstören.
Die Krankenhausluft fühlt sich schmutzig und verbraucht an. Ruiz ist Tee holen gegangen. Ich bin allein zurückgeblieben und starrte auf verschütteten Zucker und alte Kaffeeringe.
Siennas Zustand ist stabil. Die Ärzte haben ihren Magen ausgepumpt und ihr Aktivkohle gegeben, um die Medikamente in
ihrem Magen und ihrem Darm zu binden und damit die Menge des Giftes zu reduzieren, das sich im Blut lösen kann.
Sie hat Antidepressiva geschluckt – Medikamente, die bei Depressionen bevorzugt verabreicht werden. Die tödliche Dosis beträgt das Achtfache der therapeutischen, womit das Zeug in der Umgebung einer Patientin wie Sienna gefährlich ist.
Ich schließe die Augen und lasse mich von der Erschöpfung einhüllen wie von einer Gefängnisdecke. Mein Verstand will sich zusammenrollen und schlafen. Vielleicht kann ich ohne Blut an den Händen wieder aufwachen.
Gordon Ellis hat das getan. Er hat sein Opfer auf klassische Weise abgerichtet. Er hat Sienna an sich gezogen und dann von sich gestoßen und sie so permanent im Ungleichgewicht gehalten. Er hat sie mit Komplimenten überhäuft und dann erniedrigt, seine Zuneigung verweigert und dann in kleinen Dosen verteilt, bis sie angefangen hat, an sich selber zu zweifeln. Erst hat sie ihren Körper hingegeben, dann ihre Selbstachtung. Sie hat mit einem anderen geschlafen, weil er es ihr gesagt hat. Sie hat eine Überdosis Tabletten geschluckt, weil er es ihr gesagt hat. Es war die ultimative Demonstration seiner Kontrolle und Arroganz.
Normalerweise suchen Sexualverbrecher sich ein schwaches Opfer, aber Ellis wollte eine Herausforderung: Er wählte sich ein abenteuerlustiges, extrovertiertes, risikobereites. Er hat sich ein lebhaftes junges Mädchen genommen, es verbogen und gebrochen, es neu erschaffen und wieder gebrochen.
Ruiz ist zurückgekommen. Er stellt einen Becher Tee vor mir ab und fängt an, Zucker hineinzukippen.
»Ich nehme keinen Zucker.«
»Heute schon.«
Er will die Geschichte hören. Ich beginne mit der Beerdigung und erzähle von meinem Besuch bei Sienna. Mit den Details kommen Fragen. Ellis hat irgendwo an der Küste einen Wohnwagen. Es könnte derselbe sein, den er in Schottland besaß, als
seine Frau verschwunden ist, und den die Polizei nicht finden konnte.
Sienna konnte sich nicht erinnern, wohin sie gefahren waren. Sie sagt, sie hätte den größten Teil des Wochenendes verschlafen. Gordon habe ihr erklärt, dass sie eine Lebensmittelvergiftung hatte. Wahrscheinlicher hat er sie betäubt. Vielleicht auch Natasha, wenn er in seinem Haus Sex mit Sienna hatte. Beruhigungsmittel, Barbiturate, K.o.-Tropfen, was hat er benutzt?
Ellis hat seine Spuren verwischt. Er hat keine Briefe hinterlassen, keine E-Mails oder SMS verschickt. Wenn er Sienna nach der Schule abgeholt hat, musste sie sich unter einer Decke auf der Rückbank verstecken und ihr Handy abschalten. Er brachte sie zu ihren Therapiesitzungen mit Robin Blaxland und holte sie hinterher wieder ab.
Helen Hegarty kommt in die Cafeteria. Sie trägt einen weiten Pullover und eine beigefarbene Hose. Ich lasse Ruiz am Tisch sitzen, gehe zwischen den Tischen hindurch und bleibe verlegen vor ihr stehen, während sie in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch sucht.
»Wie geht es ihr?«
Helens Blick geht an mir vorbei. Die Haut um ihren Mund zuckt. »Die Ärzte haben sie in ein künstliches Koma versetzt. Sie sagen, es würde ihr helfen.«
Lance Hegarty kommt aus der Herrentoilette und schubst mich gegen einen Tisch. Obszöne Beschimpfungen und Spucke kommen über seine Lippen. »Sind Sie jetzt zufrieden? Nein, Sie sind garantiert erst glücklich, wenn sie tot ist.«
Ruiz ist flink zur Stelle und stellt sich zwischen uns.
Lance bleckt die Zähne. »Wer zum Teufel sind Sie?«
»Nicht so laut, mein Junge«, sagt Ruiz leise, »und ein bisschen mehr Respekt, wenn ich höflich bitten darf.«
»Leck mich am Arsch!«
Lance holt zu einem Aufwärtshaken aus, den Ruiz erwartet hat. Er wehrt ihn mit dem linken Arm ab und versenkt einen
kurzen Wirkungstreffer in der weichen Magengrube des Jungen. Die Wut in Lance’ Gesicht weicht einem Ausdruck der Überraschung, bevor sein Oberkörper keuchend nach vorn sackt. Ruiz hilft ihm auf einen Stuhl und entschuldigt sich bei Helen.
»Vielleicht sollten Sie besser gehen«, sagt sie hilflos.
Lance ringt immer noch nach Luft.
Wir lassen
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