Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
schließe die Haustür auf. Annies Autoschlüssel und ihr Portemonnaie liegen in einer Schale. Das Licht ihres Anrufbeantworters blinkt. Der Zähler zeigt eine »2« an.
Ich drücke auf »Play«.
Die erste Nachricht ist von einer Frau.
Hallo, Liebes, hier ist deine Mum. Ich nehme an, du bist unterwegs ! Penny ist wieder schwanger. Ist sie nicht raffiniert? Der Armen ist ständig übel. Muss ein Junge sein. Die machen einem immer zu schaffen. Ruf sie mal an und heiter sie ein bisschen auf.
Klonk!
Annie, hier ist Joe, ich war in der Schule. Ich dachte, ich würde dich heute Abend sehen …
Ich drücke auf Stopp.
Ich kehre ins Schlafzimmer zurück, nehme Annie in die Arme und lausche ihrem flachen Atem. Sie hat die Augen geschlossen. Was weiß ich von Giften? Ich habe drei Jahre Medizin gehört, aber Gifte standen nicht ganz oben auf dem Vorlesungsplan. Bei Krämpfen nicht zum Erbrechen bringen – daran erinnere ich mich. Das hilft mir jetzt sehr viel weiter …
Annie schlägt die Augen auf. Die Haut um ihre Lippen ist rot und wund. Ihr Bauch ist aufgebläht und hart.
»Ich wusste, dass du zurückkommst.«
44
Es ist kurz nach zehn. Dutzende von Menschen stehen vor dem Haus – Anwohner, Nachbarn, Passanten –, in Bademänteln, Anoraks und Wollmützen. Flackerndes Blaulicht fällt auf ihre Gesichter.
Vier Polizeiwagen parken vor den Reihenhäusern, daneben zwei Krankenwagen und ein Transporter der Spurensicherung. Ich stehe in nasser Kleidung neben einem der Streifenwagen und will mich nicht hineinsetzen, weil ich dann aussehen würde wie ein Verdächtiger. Die Detectives haben mir erklärt, ich solle warten. Ein Constable ist zu meiner Bewachung abgestellt. Er steht gut fünf Meter entfernt mit dem Rücken zu den Schaulustigen, den Blick fest auf mich gerichtet.
»Warum sind Sie denn so nass, Schätzchen?«, fragt eine Stimme. Sie gehört einer kleinen schwarzen Frau in der dunkelgrünen Uniform der Rettungssanitäter. An ihrer Brust steckt ein Namensschild: Yvonne.
»Ich hab sie in der Badewanne gefunden«, sage ich benommen.
Yvonne zieht die Brauen hoch. »Ich würde nicht wollen, dass mich jemand in der Badewanne findet.«
Sie lacht, und ihr ganzer Körper bebt. »Sie ist weiß, richtig? In so einem Haus wohnt man nicht, wenn man nicht weiß ist oder versucht, so zu tun, als wäre man weiß. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ehrlich gesagt nicht.«
Yvonne wendet mir ihr breites glänzendes Gesicht zu. »Alles in Ordnung, Schätzchen? Wollen Sie sich setzen? Ich kann
Ihnen eine Decke holen. Wie wär’s mit ein bisschen Sauerstoff ?« Sie zeigt auf den Krankenwagen.
»Mir geht es gut.«
»Wie Sie meinen.« Sie putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase und betrachtet die Schaulustigen. »Wissen Sie, was die denken?«, fragt sie.
»Nein.«
»Sie fragen sich, was mit der Welt geschieht. Das sagen sie jedenfalls immer, wenn man ihnen eine Fernsehkamera vor die Nase hält. ›Man erwartet so was einfach nicht, oder? Nicht da, wo man wohnt. Dies ist ein nettes Viertel. Da fragt man sich, wohin die Welt gekommen ist, bla, bla, bla …‹ Das sagen sie doch, oder?«
»Ja.«
Die Haustür geht auf, und zwei Notärzte rollen eine faltbare Liege heraus. Annie ist mit Gurten fixiert, ein Infusionsschlauch läuft von ihrem Arm zu einem Beutel, der über ihrem Kopf gehalten wird.
»Das ist meine Tour«, sagt Yvonne. »Passen Sie auf sich auf.«
Die Liege gleitet in den Krankenwagen, und die Türen fallen hinter Annie Robinson zu. Ich kann sie an meinen Händen riechen – die zuckersüße Beratungslehrerin mit dem knallroten Lippenstift und den feuchten braunen Augen. Annie hat mir erzählt, dass niemand sie als Schülerin hübsch fand, aber sie ist für die Ehe erblüht und eine schöne Geschiedene geworden.
Ich wünschte, Ruiz wäre hier … oder Ronnie Cray. Ich habe mein Handy im Wagen gelassen. Der steht ein Stück die Straße hinunter. Ich kann sie anrufen. Irgendjemand muss Charlie abholen.
Der Constable mit dem sandfarbenen Haar fängt mich ab, bevor ich den Volvo erreicht habe.
»Was machen Sie, Sir?«
»Ich will bloß mein Telefon holen.«
»Man hat Ihnen gesagt, Sie sollen sich nicht von der Stelle rühren.«
»Ich muss nur einen Anruf machen.«
»Kommen Sie zurück zu dem Polizeiwagen, Sir.«
Eine Hand am Gürtel sieht er mich mit kalter Gleichgültigkeit an.
Ich schlage einen Tonfall an, der ihm sagt, dass ich in jeder nur erdenklichen Weise kooperieren und in einem
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