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Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me

Titel: Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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gesagt.«
    Unverhohlene Verachtung schleicht sich in ihren Blick. Ich bin zu weit gegangen. Cray mag es nicht, wenn man ihr professionelles Urteil öffentlich anzweifelt.
    »Meinen Sie, mir gefällt das?«, fragt sie mich zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Ich kann mir genau vorstellen, was passieren wird. Ich höre schon, wie die Verteidigung sich warmläuft. Man wird Ray Hegartys Ruf zerstören. Einer der besten und mutigsten Beamten, mit denen ich je zusammen Dienst getan habe, wird als Päderast und Kinderschänder verunglimpft werden.«
    »Und wenn es stimmt?«
    »Unsinn! Es gab keine Abwehrverletzungen. Keine Spuren eines Kampfes. Und keine Indizien für eine Vergewaltigung.«
    »Was ist mit den Spermaspuren auf ihrem Laken?«
    »Sie hatte einen Freund.«
    Es hat keinen Sinn zu streiten, weil Cray verfahrenstechnisch bisher nicht den geringsten Fehler gemacht hat. Derweil tue ich das, wovor ich meine Studenten ausdrücklich warne — ich ignoriere die offensichtliche Antwort. Es gibt nur eine Sünde, die noch schlimmer ist: sie vorbehaltlos zu akzeptieren.
    Cray zieht ihre Hose hoch. Als ich ihr den Flur hinunterfolge, fallen mir ihre rutschenden Socken und die blauroten Äderchen hinten an den Knöcheln auf.

    In der Tiefgarage ist es kalt. Sie öffnet die Tür ihres Wagens.
    »Fehlt irgendwas aus dem Haus?«, frage ich.
    »Ein Laptop.«
    »Jemand könnte ihn gestohlen haben.«
    »Oder Sienna könnte ihn in der Schule gelassen haben.«
    Wir setzen uns rollend in Bewegung. Cray hat eine Fahrerin, eine junge Polizistin, die nervös in den Rückspiegel blickt.
    »Wohin, Boss?«
    »In die Trinity Road.«

10
    Freud hat gesagt, unser Gedächtnis würde traumatische Erfahrungen speichern, doch häufig handelt es sich bei unseren Erinnerungen um Fantasien und nicht um tatsächlich Erlebtes. Das Erinnerte ist in der wirklichen Welt nie geschehen, nur in unserem Kopf, der ein riesiges Arsenal von Dingen ist, die niemals existiert haben, Begebenheiten, die nie passiert sind. Manchmal frage ich mich, ob meine Erinnerungen real sind. Wenn ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, bleiben sie mir im Hals stecken und lassen mich nach Luft ringen.
    Die Albträume meiner jüngeren Vergangenheit handeln von einem ehemaligen Soldaten, der ausgebildet wurde, Menschen Geheimnisse zu entlocken, indem er sie folterte – ein Mann, der wusste, wie man in das Bewusstsein anderer eindringt und es auseinanderpflückt wie eine Zitrusfrucht. Das ist der Mann, der meine Charlie entführt und in eine Welt von Dunkelheit gewickelt hat.
    Manchmal, wenn spätnachts eine Wagentür zuschlägt oder ich Schritte auf dem Pfad höre, schlage ich die Decke beiseite, gehe zum Fenster und lupfe vorsichtig eine Ecke des Vorhangs. Ich erwarte nicht, Gideon Tyler zu sehen, trotzdem spüre ich, dass er da ist. Mich beobachtet. Wartet.
    Ich weiß auch, warum mir diese Erinnerung gerade jetzt wieder eingefallen ist. Es ist die Polizeistation in der Trinity Road, eine Festung aus rotem Backstein, umgeben von Läden vor der Geschäftsaufgabe, verblichenen Wohnblocks und Crack-Höhlen. Hier habe ich Gideon zum letzten Mal gesehen. Mit blutigem Schaum auf den Lippen und einer Zunge, die hin und her
rollend seine Zähne rot färbte, forderte er mich heraus, ihn zu foltern, flehte mich mit einem schauerlichen Lächeln geradezu an. Ich hasste diesen Mann mehr, als ich es mit Worten sagen kann. Ich wollte ihm wehtun, ich wollte, dass er tot ist, aber ich wusste, dass das weder Charlie noch meine Ehe retten würde.
    Der Einsatzraum ist im dritten Stock. Die meisten Leute nehmen die Treppe, weil der Fahrstuhl langsamer ist als ein französischer Traktor. In Ronnie Crays Büro hängen keine Fotos, keine Urkunden. Keine Trophäen. Stattdessen stapeln sich an jeder Wand Akten, als wollte sie einem Kind ein Spielhaus bauen. Auf der Fensterbank steht ein ausgestopfter Papagei, eine unbedeutende Requisite, trotzdem frage ich mich, woher sie ihn hat. Wer in ihrem Leben hat ihr dieses Geschenk gemacht ?
    Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und liest blinzelnd eine Aussage. Sie braucht eine Brille, lässt ihre Augen jedoch nicht untersuchen, weil sie sich konsequent weigert, jedes Anzeichen nachlassender Fähigkeiten anzuerkennen.
    Mehr als 36 Stunden sind seit der Ermordung Ray Hegartys vergangen. Detectives sind von Tür zu Tür gegangen, andere haben Verwandte, Freunde und Kollegen aufgespürt und Hegartys letzte Stunden rekonstruiert.
    Sienna ist aus dem Krankenhaus

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